Friedrichs Musentempel in Neuruppin

Friedrichs Musentempel in Neuruppin

Neuruppin ist die Fontane-Stadt am See, die Geburtsstadt Karl Friedrich Schinkels und – 60 Kilometer nordwestlich von Berlin im Landkreis Ostprignitz-Ruppin gelegen – ist Neuruppin eng mit dem Namen Friedrichs des Großen verbunden ist. Der preußische Kronprinz übernahm im Sommer 1732 das dort stehende Regiment.

Auf dem Neuruppiner Stadtwall ließ er einen Garten anlegen, den er nach der antiken Nymphe Amalthea benannte. Er züchtete dort Kirschen, Wein und Melonen. Friedrich konnte sich hier der Beobachtung durch seinen despotischen Vater, den Soldatenkönig, weitgehend entziehen. Der Garten war für ihn Rückzugsort und Freiraum in einem. Er schrieb an seine Schwester, die kunstsinnige Wilhelmine von Bayreuth: „Alle Schätze der Welt können uns nicht die mindeste Befriedigung verschaffen, wohl aber die Ruhe. Das ist meine Philosophie. Ich übe sie hier friedlich an meinem Kamin. Ich lebe so glücklich wie unser Urvater vor dem Sündenfall, und wenn man in Berlin meine Ruhe nicht stört, kann sie nichts trüben.“

Drei Jahre nach Friedrichs Ankunft in Neuruppin entwarf der Architekt Georg Wenzelaus Knobelsdorff für den Kronprinzen einen kleinen runden Musentempel. Die Kuppel krönte eine Apollo-Statue. Dieser kleine offene Tempel mit seinen acht dorischen Säulen war das erste Bauwerk, das der später so berühmte Architekt für Friedrich II. baute. Die beiden Männer verband seit der Neuruppiner Zeit ein Vertrauensverhältnis, und viele weitere Bauten sollten folgen. Mit Schloss „Sanssouci“, dem Potsdamer Weinberg und Park knüpfte Friedrich II. in gewisser Hinsicht später wieder an den Neuruppiner Geist an.

Lange nach dem Tod Friedrichs II. – der Garten hatte mittlerweile mehrfach den Besitzer gewechselt – wendete sich das Blatt für das Anwesen am Stadtwall grundlegend. Der Tempelgarten wurde gleichsam neu erfunden. Die Neuruppiner Torfunternehmer Gentz erwarben 1853 das Anwesen. Alexander Gentz schrieb zu den gemeinnützigen Zielen der Familie: „Wir fassten den Entschluss, ihn zu einem bleibenden Denkmal herzurichten, fern von jedem Ertrag, mit der Bestimmung, den Zutritt jedermann zu gestatten.“ Doch damit nicht genug. Architektonisch versuchte man nicht mehr und nicht weniger als den Brückenschlag zwischen Okzident und Orient. Der an Baukunst interessierte Alexander Gentz konnte Carl von Diebitsch als Architekten für den Tempelgarten gewinnen. Diebitsch hatte in Andalusien den maurischen Stil studiert und integrierte entsprechende Elemente in seine Entwürfe. 1855 entstand in Neuruppin die Villa mit Wintergarten, das Gärtnerhaus mit dem minarett-ähnlichen Aufbau und die Umfassungsmauer mit ihren orientalisch inspirierten Bauteilen. Die Tore sind mit orientalischen Ornamenten geschmückt und in den Farben Rot, Blau und Gold gehalten. Ein Hauch Alhambra weht seitdem durch das sonst eher preußisch unterkühlte Neuruppin. Nachdem die Bauten errichtet waren, ging Alexander Gentz an die landschaftliche Umgestaltung des Gartens. Seltene Gehölze wie Pyramideneichen, Mammutbäume und Tristessebuchen fanden ihren Platz im Tempelgarten. Was den Skulpturenschmuck betraf, wurde man im sächsischen Dresden fündig. Einige hatten den dortigen Türkischen Garten geziert. Die Fürstengruppe aus Sandstein stellt Solimann II., Ludwig V. und Philipp den Schönen von Spanien dar. Götterfiguren und Putten kamen dazu. Der Garten bekam damals jenes Gesicht, das auch heute noch seinen Zauber ausmacht.

Doch um 1880 liefen die Geschäfte der Unternehmerfamilie Gentz schlechter. Torf wurde weit weniger gebraucht, und man stand vor dem Konkurs. Der Garten ließ sich nicht mehr in Familienbesitz halten, es kam zur Versteigerung. Doch nicht die Deutsche Bank, die das meiste geboten hatte, bekam den Zuschlag, sondern der Kreis Ruppin. Die Familie Gentz legte Wert darauf, dass der Garten der Öffentlichkeit erhalten blieb.

1911 zog das älteste Heimatmuseum der Mark, das 1865 gegründete „Ziethen-Museum“, in die Tempelgarten-Villa. Von nun an fühlte sich die Stadt Neuruppin für die Anlage zuständig, auch die gesamte DDR-Zeit hindurch. Bis 1993 der Kreis Neuruppin sich seines historisch verbrieften Eigentumsrechtes besann. Zur Empörung der Neuruppiner Bürger wollte er seinen alten neuen Besitz zu schnellem Geld machen. Doch verständlicherweise fand sich kein geeigneter Käufer, denn Bedingung war, dass der Garten für die Öffentlichkeit zugänglich blieb. Leute vom Schlage der Unternehmerfamilie Gentz waren für Neuruppin damals nicht zu finden.

Während der über Monate sich hinziehenden eigentumsrechtlichen Unsicherheit fiel der einst so gepflegte Garten zunehmend dem Vandalismus zum Opfer. Die Lage spitzte sich insoweit zu, dass der Landrat auf Druck engagierter Bürger die einstweilige Schließung veranlasste.

Jetzt schlug die Stunde des gemeinnützigen Tempelgarten-Vereins, zu dem sich interessierte Neuruppiner und Nicht-Neuruppiner zusammengeschlossen hatten. Am 1. August 1995 kaufte er die gesamte Anlage zu einem symbolischen Preis von einer Mark. Seitdem geht es wieder aufwärts mit dem Tempelgarten. Die Gentzsche Villa beherbergt ein stilvolles Café, und der Tempel des jungen Kronprinzen Friedrich erstrahlt pünktlich zum Jubiläumsjahr 2012 in neuem Glanz.

Karen Schröder


Hinweise auf Veranstaltungen unter:
www.tempelgarten.de

 

51 - Sommer 2012