„Erstens, man soll Menschen nicht trennen, die zusammengehören. Zweitens: Schule kann auch Spaß machen“, fasste die Jury des Berliner Kindertheaterpreises 2011, zu der auch Schauspieler Axel Prahl gehört, den tieferen Sinn von „Leon und Leonie“ zusammen. Das Stück des Autors Thilo Reffert ist der Gewinner des Preises, der gemeinsam vom Grips-Theater und der Gasag ausgelobt wurde.
Leon und Leonie sind Zwillinge und beide könnten in die Schule kommen, doch die Eltern befinden: Leonie ist noch nicht soweit, sie bleibt ein weiteres Jahr im Kindergarten. Das nervt das Mädchen, es will auch in die Schule und überredet seinen Bruder, für einen Tag mit ihm die Rollen zu tauschen. Das geht gründlich schief. Sie verprellt Leons Freund und hat es mit dem Rechnen nicht so. Um die Sachen, die sie verbockt hat, wieder auszubügeln, erbittet sie sich einen weiteren Schultag. Und dann noch einen dritten – an dem sich alles auflöst. „Ich wollte eine spannende Geschichte erzählen“, sagt Autor Reffert, der die pädagogischen Hintergründe ausblendet. Die Komödie, die am 23. September Uraufführung im Grips-Theater feiert, ist pointiert geschrieben. Doch der Weg bis dahin war so einfach nicht. Unter knapp 50 eingesandten Arbeitsproben wählte die Jury vier Stückentwürfe aus. Die Autoren wurden im Oktober 2010 zu einem Workshop eingeladen. Sie hatten drei Monate Zeit, der Jury ihre Stücke zur Begutachtung vorzulegen. Soweit das formelle Prozedere. Die Hintergründe sind weitreichender. Warum so viel Aufwand betreiben? Gibt es nicht Kinderstücke zuhauf? Entweder pur oder adaptiert trifft man doch fast das gesamte Grimm’sche Märchenbuch auf den Bühnen des Landes an. Dazu das Sams und andere Fantasiegeschichten. Aber das reicht den Leuten vom Grips-Theater nicht. Sie wollen, und das ist erklärtes Prinzip seit Gründung des Hauses vor über 40 Jahren, realistische Geschichten aus dem Alltag der Kinder und Jugendlichen erzählen. Und da wird die Stücke-Decke dünn. Das war einer der Gründe, warum 2005 der Berliner Kindertheaterpreis ins Leben gerufen wurde. „Es geht darum, Autoren zu finden, die in der Lage sind, dieses besonders kritische Publikum in ihren Bann zu ziehen“, begründet Birgit Jammes von der Gasag das Engagement des Energieanbieters. Kinder werden unruhig, wenn sie sich langweilen. Junge Autoren für das Kindertheater zu finden, habe auch damit etwas zu tun, die künftige Generation im Blick zu behalten. Diesen speziellen Blick, den Kinder auf ihren Alltag haben, in ein Theaterprojekt umzusetzen, fiel auch dem Gewinner des Wettbewerbs, Thilo Reffert, nicht leicht. Seit 2002 ist er als Hörspiel-Autor für den MDR, den WDR und Deutschlandradio Kultur tätig. 1970 in Magdeburg geboren, wollte Reffert eigentlich Arzt werden, entschied sich aber dann doch fürs Theater. Nach der Geburt der ersten Tochter konzentrierte er sich ganz auf das Schreiben. Seine Arbeitsbilanz ist beachtlich, darunter etliche Stücke fürs Klassenzimmer. Sein jüngstes, „Nina und Paul“, erhielt den Deutschen Kinderhörspielpreis 2011 sowie als Theaterstück den Kaas & Kappes-Preis 2012. Für den Berliner Kindertheaterpreis hat der Autor trotzdem schwere Arbeit geleistet. Auch wenn er sein Zielpublikum am Abendbrottisch zu sitzen hat. Seine jüngste Tochter geht in die 2. Klasse. „Mein erster Entwurf war schrecklich“, resümiert er im Nachhinein. Denn es war die Sicht von Vätern und Müttern auf das Thema Schule. So schlecht kann es wiederum nicht gewesen sein, die erste Variante hatte sich bereits als einer unter vier ausgewählten Entwürfen gegen viele Mitbewerber durchgesetzt. Es folgte der Intensiv-Workshop. Eine Erfindung des Grips-Theaters, um Kreativität zu lenken. Da gab es Lob und Kritik von Dramaturgen und Theaterpädagogen, Diskussionen untereinander. Auch auf ihr Publikum wurden die vier Kandidaten losgelassen zu Lesungen in Grundschulen. Der erste Test – ist mein Stück für Kinder langweilig? Inspirierend fand Reffert auch, dass Schauspieler des Grips-Theaters sich einiger Szenen annahmen und mit großer Spiellust improvisierten. Es wandelten sich im Laufe der Tage Ideen und Entwürfe, der Blick wurde ein ganz anderer. „Obwohl sich die Autoren eigentlich in einer Konkurrenzsituation befanden“, schätzt Birgit Jammes ein, „entstand eine kreative Gemeinschaft.“ Nur einer konnte gewinnen, aber herausgekommen sind noch zwei weitere gute zeitgenössische Stücke für Kinder, die vielleicht über die Berliner Grenzen hinaus von Theatern und Verlagen entdeckt werden. Das Grips-Theater ist mit der intensiven Arbeitsbetreuung der Autoren auf dem richtigen Weg. Denn zumindest einer der Preisträger aus den Vorjahren sorgte nun für Furore. Jörg Isermeyer wurde mit „Ohne Moos nix los“ für den Mühlheimer Kinderstückepreis nominiert. Damit gehört es zu den besten deutschsprachigen Kinderstücken. Wichtiger aber als Preise ist natürlich, dass sich die Stücke herumspielen im Land. Und danach sieht es leider momentan nicht aus. Die Staats-, Landes- und Stadttheater setzen weiterhin nur auf die bewährten Klassiker für Kinder.
Martina Krüger
Information
Die Uraufführung am 23. September 2012 um 16 Uhr ist ausverkauft. Bis Ende Oktober sind bereits alle Schulvorstellungen ausverkauft, es gibt nur noch Karten für die Herbstferien und am Wochenende: 10.10. und 11.10. (Herbstferien) um 10 Uhr und am 28.10. um 16 Uhr. Alle aktuellen Vorstellungstermine finden Sie auf www.grips-theater.de!
Kartenreservierung
030 - 397 47 477 (Kasse, täglich 12 – 18 Uhr) für Nachmittagsvorstellungen 030 - 397 47 40 (Verwaltung, werktags 10–17 Uhr) für Vormittagsvorstellungen
Eintrittspreise
10,– € / 7,– € ermäßigt / 4,– € mit dem Ermäßigungsgutschein vom JugendKulturService für Schulen und für Gruppen.
Spielort: GRIPS Hansaplatz, direkt am U-Bhf. Hansaplatz, Altonaer Straße 22, 10557 Berlin, www.grips-theater.de