Kaum eine andere Großstadt war so vielen grundlegenden Veränderungen unterworfen wie Berlin. Glanzvolle Epochen wechselten mit dunklen Zeiten. Heute attraktive Mitte Europas,Touristenmagnet, Kunst- und Kulturmetropole und wichtiges Zentrum der digitalen Wirtschaft, blickt Berlin auf eine wechselvolle Geschichte zurück. In diesem Herbst feiert die deutsche Hauptstadt 775. Geburtstag.
Die erste urkundliche Erwähnung von Berlins Schwesterstadt Cölln am 28. Oktober 1237 gilt als Berlins Geburtstag. Die junge Stadt entwickelt sich rasch. Mitte des 15. Jahrhunderts gewinnt sie an Bedeutung, als die brandenburgischen Kurfürsten die Stadt zu ihrem Regierungssitz erklären. Mitte des 16. Jahrhunderts leitet Kurfürst Joachim II. die Reformation ein und macht die Stadt damit zu einer Metropole des Protestantismus. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts hat die Residenzstadt Berlin rund 10 000 Einwohner. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 kostet jedoch etwa 4 000 Berliner das Leben. Unter der fast 50-jährigen Regentschaft von Friedrich Wilhelm, dem „Großen Kurfürsten“, steigt die Zahl der Bewohner auf fast 20 000 an, auch durch die Einwanderung der in Frankreich verfolgten Hugenotten. König Friedrich I. macht Berlin zur Hauptstadt des Königreichs Preußen.
Im 18. Jahrhundert erlangt Preußen nach drei Kriegen neben Frankreich, Großbritannien, Österreich und Russland den Status einer Großmacht. Verantwortlich dafür ist der legendäre Preußenkönig Friedrich II., auch „Friedrich der Große“ oder der „Alte Fritz“. Der selbsternannte „Erste Diener des Staates“ strebt eine vernünftige Staatsordnung an, die sich dem Allgemeinwohl verpflichtet und gilt damit als erster Repräsentant des aufgeklärten Absolutismus. Unter ihm wird die Stadt zum Zentrum der Aufklärung. Bald zeigt Berlin den Charakter einer europäischen Hauptstadt. Schloss Sanssouci in Potsdam ist Friedrichs bevorzugte Sommerresidenz.
Auf Anweisung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. erbaut Carl Gotthard Langhans von 1788 bis 1791 das Brandenburger Tor, das weltweit bekannte Berliner Wahrzeichen. Eine dreijährige Besatzungszeit durch den französischen Kaiser Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts wird zur großen Belastung für die Stadt. Nach dem Abzug der französischen Truppen und dem offensichtlichen Zusammenbruch des altpreußischen Militärstaats beginnen in Berlin demokratische Reformen. Die Wahl der ersten Stadtverordnetenversammlung, die Einführung einer Verfassung in Preußen sowie das Dreiklassenwahlrecht fallen in diese Zeit. Mit der Kaiserproklamation Wilhelm I. 1871 wird Berlin Residenz des deutschen Kaisers und Reichshauptstadt mit über 800 000 Einwohnern. Um 1900 zählt Berlin bereits fast zwei Millionen Einwohner. In der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg wird Berlin zur zweitgrößten Stadt Europas, die „Goldenen Zwanziger“ gelten als kulturelle Blütezeit. Führend in Musik, Literatur, Architektur und Malerei ist Berlin eines der bedeutendsten Kulturzentren der Welt. Von den dunklen Jahren des Nationalsozialismus und des verheerenden Zweiten Weltkriegs erholt sich Berlin nur langsam. Die Teilung Berlins in West- und Ostberlin mit dem Bau der Berliner Mauer 1961 verlangt unbeschreibliche Opfer von den Berlinern. Die Wende in der DDR und der Fall der Mauer 1989 öffnen die Stadt, geben vielen Bewohnern Hoffnung und ebnen neue Wege. 1991 wird Berlin zur bundesdeutschen Hauptstadt erklärt.
„Berlin ist mehr ein Weltteil als eine Stadt.“ So beschrieb es der deutsche Schriftsteller Jean Paul bereits vor über 200 Jahren. Vielfältig, widersprüchlich, laut, vital, wunderbar und kreativ – die Stadt, deren Markenzeichen das ständige Werden ist, wird sich immer weiter entwickeln.
Im Rahmen des Jubiläumsfestes „775 Jahre Berlin“ feiert die Stadt mit einer stimmungsvollen Inszenierung der historischen Mitte und verschiedenen spektakulären Veranstaltungen.
Edith Döhring
Informationen
Aus Anlass des 775. Geburtstages gibt es in Berlins alter und neuer Mitte die Open-Air-Ausstellungen „Stadt der Vielfalt“, „Spuren des Mittelalters“ und „Die Berliner Stadtjubiläen 1937 und 1987“.