Seit März dieses Jahres feiern die „7 fingers“, eine Truppe von Artisten aus England, den USA, Kanada und Deutschland, mit „Loft“ im CHAMÄLEON Theater in den Hackeschen Höfen Erfolge. Über die großartige Show ist schon viel Großartiges geschrieben worden. Wir wollten wissen, wie sich die Wohngemeinschaft außerhalb der Bühne eingelebt hat, und was die Künstler an Berlin mögen und was nicht.
Abend für Abend spielen sie einem vor, wie schön und aufregend, manchmal auch abgründig das Leben in einer WG ist, welche unglaublichen Reize diese Wohnform hat – und als Zuschauer im Chamäleon-Theater glaubt man ihnen allemal. Doch dann, nach der Vorstellung, gehen Olaf, Anna, Kaleen, Isis und Co. nach Hause, und zwar jeder in seine eigenen vier Wände auf Zeit. Tür zu, Ruhe ist. Na ja, vielleicht nicht so absolut, aber sie empfinden diese Privatheit schon als angenehm. Obwohl sie natürlich auch viel gemeinsam unternehmen. Gemeinsame Essen, manche auch selbst gekocht bei dem einen oder anderen zu Hause. Ballettabend in der Komischen Oper, im Mauerpark über den Trödelmarkt spazieren oder Besuche bei den sommerlichen Montagskonzerten im Amphitheater des Monbijouparks. Eindeutiger Lieblingsplatz aller ist das Liquidrom in Berlin, ein Tempel für Fitness und Entspannung im Tempodrom. Kein Wunder, denn ihre atemberaubende artistische Arbeit lechzt geradezu nach „relaxen“.
Seit März dieses Jahres begeistern die jungen Künstler Abend für Abend das Publikum, nach sechs Monaten gab es zwei Wochen Urlaub, und nun weiter bis zum Februar, dann löst sich die Compagnie auf, jeder sucht sich neue Engagements weltweit. Fest steht nur, die verlassen Berlin. Die Stadt, in der sie sich wohlfühlen, die sie aber auch als Neu-Berliner auf Zeit zuweilen irritierte. So erzählen alle, bis auf das deutsche Mitglied Olaf Triebel, dass sie anfangs Orientierungsschwierigkeiten hatten. Der Grund ist einfach: In ihren Heimatländern USA und Kanada sind Straßenzüge, Hausnummern wohlgeordnet, rechteckig, logisch nachvollziehbar. Hierzulande kann es heißen: Geranienweg biegt in Fliederstraße ein. Und es gab noch mehr Merkwürdigkeiten aus amerikanischer Sicht: dass man öffentlich ein Bier trinken darf oder dass das Trinkgeld nicht mit auf der Rechnung steht. Und die Autofahrer seien hier sehr rücksichtsvoll gegenüber den Radfahrern, erzählt Kaleen aus den USA. Es sei unglaublich nett, dass sie im Schneckentempo hinter einem her fahren, wenn sie nicht überholen können. Kaleen lernt Deutsch – und spricht es schon sehr gut. Ihre englischsprachigen Kollegen aus den USA und Kanada zollen ihr uneingeschränkt Respekt. Man komme auch mit Englisch gut durch die Stadt.
Jacob aus Boston hat es in Sachen Spracherwerb mit dem Theater versucht und sich im Berliner Ensemble den „Kaukasischen Kreidekreis“ angesehen, allerdings nur bis zur Pause. Die deutsche Kunstsprache war dann doch zu schwierig. Er hat sich stattdessen mit einem ungarischen Cafébesitzer in der Nähe des Kollwitzplatzes angefreundet. Er gehe auch gern ins „Enten und Katzen“ in der Winsstraße. Seine Lieblingsstraße ist die Kastanienallee, so bunt und verrückt. Für Jacob ist Berlin eine ganz besondere Premiere. Er wohnt zum ersten Mal allein. Die Oranienburger Straße gehört auch zur Bummel-Flaniermeile für die Artisten. Sie treffen oft Kollegen unterwegs – die Stadt scheint ein Hotspot für Artisten zu sein. Es gibt erstaunlich viele Varietés und Shows. Man denke nur an den Friedrichstadtpalast, den Wintergarten, die Bar jeder Vernunft. Es mache Spaß, hier zu arbeiten und den Kollegen bei der Arbeit zuzuschauen. Jeder der sieben aus dem „Loft“ hat in Berlin seinen Lieblingsplatz entdeckt. Kaelyn aus Kanada beispielsweise die Kletterwand im Humboldthain, Isis aus England das ehemalige Flughafengelände Tempelhof und den Wochenmarkt am Kollwitzplatz.
Die Artisten, die Berlin mittlerweile wohl besser kennen als manch Einheimischer schätzen eines ganz besonders: Berlin fühlt sich für eine Großstadt sehr „relaxed“ an. Es hat manchmal fast eine intime Atmosphäre und trotzdem ist immer etwas los, viel Kultur, viele Partys. Aber alles relativ stressfrei. Wie machen die das hier, fragen sich die Artisten aus Boston, London und Montreal.
Martina Krüger