Wertschätzung des Einzelstücks

Die Berliner Tischlerei „WERKSTATT Edgar Reinke“ ist ein international agierender Handwerksbetrieb. Das jüngste Projekt ist der Innenausbau eines außergewöhnlichen Privatwohnhauses im Berliner Stadtteil Grunewald.

Herr Reinke, Sie müssen einen guten Namen in der Branche haben. Sie wurden mit dem Innenausbau eines sehr luxuriösen Wohnhauses in Berlin-Grunewald aus dem Entwurf von HSH-Architekten beauftragt.

Qualität und Zuverlässigkeit sind dabei entscheidend. Es sind aber vor allem die Entwicklungsprozesse mit Architekten, Bauleitung und Bauherrn, auf die es hier ankam. Bei diesem besonderen Familienhaus ging es von Anfang an darum, die Planung der Möbel direkt der Architektur folgen zu lassen. Und dies in enger Abstimmung mit den Nutzern. Alle Faktoren gleichrangig zu bedienen und alle Einbauten mit hohem ästhetischem Anspruch herzustellen, war eine sehr komplexe Aufgabe. Mit den verschiedenen Ebenen zu spielen und sie zu den besten Lösungen zu führen, ist das, was wir, glaube ich, ziemlich gut können. Was für mich zählt ist, dass es Möbel für Menschen und Räume werden.

Handwerk und Manufaktur sind bekanntlich in den letzten Jahrzehnten ­u. a. durch Globalisierung und Großproduktion an den Rand gedrängt worden. Hat das Handwerk wieder Zukunft?

Handwerk hat natürlich eine Zukunft. Bei Einzel- und Sonderanfertigungen sind wir immer gefragt. Ein individueller Innenausbau braucht eine gute Handschrift. Die Wertschätzung für nachhaltige und vererbbare Produkte ist nach wie vor zu spüren. Dafür gibt es dann Kunden, die sich trauen, mit sehr individuellen Vorstellungen zu uns zu kommen, die davon überzeugt sind, bei uns in der Werkstatt eine bessere Lösung zu bekommen.

Könnte man angesichts der detailreichen und ästhetisch wie funktional beachtlichen Wohnelemente, die im Wohnhaus in Grunewald geschaffen wurden, einen Trend ablesen?

Ja, vor allem im Hinblick auf die Wertschätzung des Einzelstücks. Die Entwicklung von sehr individuellem Interieur im Zusammenspiel mit der Architektur gewinnt ganz klar an Bedeutung. Menschen haben wieder mehr Geschmack und Mut zum eigenen Stil. Dafür brauchen Sie Entwicklungspartner und kompetentes Handwerk zur Realisierung. Für uns bedeutet dies Gestaltung im Handwerk.

Was war besonders reizvoll an diesem Auftrag?

Der Formensprache von HSH-Architekten in der Grundstruktur zu folgen. Und auch das sehr besondere Baddesign von Heike Mühlhaus umzusetzen. Die Gespräche mit den Bewohnern des Hauses, eine Linie über alle Wohnebenen beizubehalten. Der französische Nussbaum war unser Leitmaterial, er hat viel Charakter und Profil in die Innenräume gebracht, das wäre mit Tropenholz so nicht gelungen.

In der Regel müssen Sie sich mit den Vorgaben des Bauherren und des Architekten auseinandersetzen. Bleiben Ihre eigenen Vorstellungen manchmal auf der Strecke?

Die Vorstellungen entwickeln sich viel im Gespräch mit beiden. Es geht weniger um die eigene Präferenz als um die beste Lösung. Für mich stehen die Menschen, die in diesen Räumen leben, im Vordergrund. Wenn ich davon überzeugt bin, dass die Bauherrn genau wissen, wie die Idee einer umbauten Badewanne auch als funktional-ästhetischer Genuss aussieht, folge ich diesem Entwurf gerne. An den Schnittstellen von Design und Alltagstauglichkeit können wir unsere Kompetenzen genau einbringen.

Holz ist Ihre Arbeitsgrundlage. Mit welchen anderen Materialen arbeiten Sie beim Innenausbau besonders gern?

Der Wald hat viele verschiedene Bäume. Wir ergänzen Holz sehr gern mit Linoleum für tolle Tischoberflächen, arbeiten mit ausgewählten Schlossern, Polsterern, Steinmetzen zusammen, kombinieren Büromöbel mit trittschalldämmenden modernen Filzelementen. Klar, Holz ist ein wundervoller Werkstoff. Für den Wert an Nachhaltigkeit und Ener­gieeffizienz müssen wir offen bleiben für andere Materialien und neue Wege gehen. Auch hier hat das Handwerk ein Zukunft.

Sie bilden auch Tischler aus. Wie sind die Aussichten für den Nachwuchs?

Die Aussichten sind sehr gut. Wir brauchen junge Menschen, die engagiert und kreativ arbeiten wollen. Die wachsende Wertschätzung für hochwertige und langlebige Möbel verlangt nach Könnern im Umgang mit einem scharfen japanischen Stemmeisen genauso wie in Kommunikation. In unserem internationalem Team von Mitarbeitern macht das sehr viel Spaß und bietet eine Menge Lernstoff für einen tollen Beruf.

Woran arbeiten Sie derzeit?

Die aktuellen Projekte zeigen besonders die Vielfältigkeit unserer Werkstatt. In Produktion sind die Innenausbauten für zwei Lumas-Galerien in New York und Aachen. Dann fertigen wir gerade Arbeitstische für ein Filmstudio und bauen an einer sehr individuellen Küche für einen Berliner Privatkunden. In eine Villa in Almaty in Kasachstan bauen wir Badmöbel und eine Wohnküche ein und sind mit einer Kinderetage für 4-jährige Zwillinge beauftragt, die mehr Platz brauchen.

Danke für das Gespräch.

Ina Hegenberger

 

53 - Winter 2012/13