Theater, Film, Fernsehen, Chanson – Eleonore Weisgerber glänzt durch Vielseitigkeit.
Die häufigste Frage, die Eleonore Weisgerber gestellt wird, lautet, ob sie verwandt sei mit der großen Antje Weisgerber. Ihre Antwort: „Nein. Aber ich habe sie immer bewundert, und als wir uns kennenlernten, haben wir uns sehr gemocht. Wir blieben dann auch bis zu ihrem Tod freundschaftlich verbunden.“
Eine weitere Frage, die sich bei ihr aufdrängt, ist: Wie gelang es ihr, sich in diesem schwierigen Beruf, der für Frauen über 50 herzlich wenig Verwendung hat, so krisenfest zu etablieren? Schließlich ist sie nach wie vor auf dem Bildschirm in den unterschiedlichsten Rollen präsent.
Die Formulierung „Frauen über 50“ amüsiert Eleonore Weisgerber. Sie nennt sie im Bezug auf sich selbst „sehr euphemistisch“, denn sie steht dazu, die 60 überschritten zu haben. „Geholfen hat mir ein Satz, den ich vor vielen Jahren in einem Lee-Strasberg-Workshop von Geraldine Baron gehört habe: ‚You must look where you can win.‘ Man muss schauen, wo man gewinnen kann. Das leuchtete mir ein. Mir saßen anfangs in meinem Fach drei bis vier Kolleginnen vor der Nase, denen schon der Durchbruch gelungen war. Sie zählten nun zur ersten Riege. Das konnte ich mir abschminken. Also schaute ich, womit ich mich sonst profilieren könnte. Die Lösung hieß: Vielfach-Einsatz. Unterschiedliche Rollen zu spielen, interessierte mich sowieso am meisten. Als ich in der Pfitzmann-Serie ,Praxis Bülowbogen‘ eine resignative bürgerliche Ehefrau darstellte, war das so ein Erfolg, dass ich danach immer wieder Angebote in gleicher Richtung bekam. Das fand ich nicht witzig. Dagegen griff ich zu, als ich die Möglichkeit sah, eine verschreckte Neurotikerin zu spielen. Gleich darauf eine eiskalte Karrierefrau. So habe ich mein Spektrum immer mehr erweitert. Ich habe oft Rollen angenommen, die kleiner waren, in denen ich aber etwas Neues zeigen konnte. Ich glaube, dass mir das geholfen hat, als Schauspielerin zu überleben. Mich störte es nicht, wenn eine Produktion bei der Besetzung zuerst an eine andere Schauspielerin dachte. Wenn die aber nicht konnte und der Regisseur einen Ausweg suchte, hieß es unter Umständen: ‚Sexy und geheimnisvoll kann eigentlich auch die Weisgerber.‘ Dann war ich vielleicht nicht die erste Wahl, aber die zweite. Heute gibt es nicht sehr viele Kolleginnen in meinem Alter, die sehr unterschiedliche Rollen spielen.“ Spielen ist das Losungswort ihres Lebens. „Von klein auf wollte ich nur eines: Schauspielerin werden“, gesteht Frau Weisgerber. Diese Leidenschaft hat sie von ihrer Großmutter mütterlicherseits geerbt.
„Großmutter Hedwig, Jahrgang 1896, stammte aus Mannheim, und hat mit 16 Jahren begonnen, Theater zu spielen“, erzählt Frau Weisgerber. „Damit konnte sie nach dem frühen Tod ihres Vaters auch Mutter und Schwester ernähren. Sie war sehr erfolgreich an den großen badischen Bühnen Mannheim und Karlsruhe. Mit 26 Jahren heiratete sie in eine gutbürgerliche Karlsruher Familie ein, in der Schauspieler aber als nicht gesellschaftsfähig galten. Mein Urgroßvater stand im Dienst des Großherzogs von Baden. Also gab Großmutter Hedwig mit der Heirat das Theater auf. Es ist schon lustig, wenn man die damalige Situation mit der heutigen vergleicht. Wie schnell sich das gesellschaftliche Bewusstsein verändert. Viele junge Leute wollen heute doch nur Schauspieler werden, weil sie meinen, dann der König zu sein.“ Eleonore Weisgerber ist eine nachdenkliche Frau mit vielerlei Interessen und großer Bereitschaft zum Engagement. Als ihr Pianist Nickisch van Krümmer, mit dem zusammen sie ihr Chanson-Programm „Aufstieg und Fall der Femme fatale“ entwickelt hatte, Selbstmord beging, gründete sie 2007 die „in Balance – Stiftung für bipolare Störungen Berlin“. Seit 2010 engagiert sie sich außerdem als „SchrittMacher“ der Tom Wahlig-Stiftung, die sich die Erforschung und Heilung der seltenen Erkrankung HSP zum Ziel gesetzt hat. Doch damit nicht genug. Sobald sie ihren Rentenbescheid in Händen hält, erwägt sie ernsthaft, dagegen zu klagen. Notfalls bis zum Verfassungsgericht. Sie sagt: „Ich tue das nicht für mich. Mir droht keine Altersarmut. Ich habe gut vorgesorgt. Ich tue das für die jungen Kollegen, die unter den heutigen Umständen keine Chance mehr haben, eine verlässliche Altersvorsorge aufzubauen. Das muss geändert werden.“
Weisgerber wurde an einem l8. August in Wiesbaden geboren. Ihr Vater war Exportkaufmann in der Karibik. Von ihrem dritten bis zum siebten Lebensjahr wuchs sie in Santo Domingo auf.
„Da habe ich bereits Englisch und Spanisch mitbekommen“, sagt sie. „Dank dieser Zeit bin ich vielsprachig, denn die Synapsen für Fremdsprachen waren damit schon hergestellt. Später Französisch und Italienisch hinzuzulernen, fiel mir leicht. So konnte ich jederzeit auch in internationalen Produktionen arbeiten.“
Ihr Hauptwohnsitz liegt in Berlin-Grunewald. Aber sie besitzt auch eine kleine Wohnung in Paris. Ausgebildet ab 1968 an der Reinhardt-Schauspielschule in Berlin, wurde sie schon als Elevin von Helmut Käutner für den Film „Bel Ami“ (mit Helmut Griem) vor die Kamera geholt.
Aus ihrer (geschiedenen) Ehe mit dem Schauspielerkollegen Joachim Bliese hat sie eine Tochter und einen Sohn sowie zwei Enkel „Ich bin Doppelgroßmutter, was ich sehr schön finde“, bekennt sie.
Ans Aufhören verschwendet sie keine Gedanken. Im Gegenteil. „In Kürze beginne ich mit Dreharbeiten für eine Komödie über drei Frauen, die eine Alters-WG auf Gran Canaria gründen. Darauf freue ich mich sehr“, erzählt sie. „Meine Mitspielerinnen sind Maren Kroymann und Rita Russek. Diese beiden Kolleginnen finde ich toll. Für eine Komödie braucht man Schauspieler, die auch uneitel sein können.“
Von Gudrun Gloth