Vom Spreewald ins Outback

Es ist die Geschichte eines ungewöhnlichen Lebens, das vom verschlafenen Schwielochsee zu höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen und einem bis heute mysteriösen Tod in der australischen Einöde führt. Am 23. Oktober 1813 wird Ludwig Leichhardt als Sohn des Torfinspektors Christian Hieronymus Matthias Leichhardt im Dorf Trebatsch am Schwielochsee geboren. Der begabte Junge besucht das Gymnasium in Cottbus und schreibt sich zum Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin ein. Doch zu einer bürgerlichen Existenz fühlt sich Ludwig Leichhardt nicht berufen. „Ja, meine Lieben, ich wollte, ich könnte leben wie Ihr“, schreibt er am 23. Mai 1841 in einem Brief an seine Angehörigen. „Aber ich kann es nicht. Es ist etwas in meiner Natur, das mich immer und immer vorwärts treibt.“

Zu diesem Zeitpunkt hat der junge Leichhardt schon viel gesehen. Er hat eine Harzreise unternommen, ist mit seinem Studienfreund William Nicholson nach England gegangen und hat Italien sowie Frankreich bereist. Und er hat einen kühnen Plan entwickelt: nach Australien zu fahren und dort, in der noch weitgehend unerforschten britischen Kolonie, Entdeckungen zu machen. „Dieses Innere, dieser Kern der dunkeln Masse ist mein Ziel, und ich werde nicht eher nachlassen, als bis ich es erreiche“, schreibt er im September 1841, kurz bevor er sich nach Australien einschifft. Dort angekommen, wird er den Kontinent nie mehr verlassen.

Tatsächlich schafft es Leichhardt, eine Expedition mit einem ehrgeizigen Ziel zu organisieren: Von dem an der Ostküs­te Australiens gelegenen Brisbane aus will er als erster Mensch auf dem Landweg nach Port Essington, einer Siedlung ganz im Norden, gelangen. Zusammen mit neun Reisegefährten, darunter zwei Aborigines, begibt er sich auf den gefährlichen Marsch und erreicht tatsächlich das Ziel. Zurück in Sydney wird er als Held gefeiert. „In sozialer wie in politischer Hinsicht“, würdigt am 22. September 1846 ein Regierungsvertreter im „Sydney Herald“ die Leistung des deutschen Forschers, „ist es schwer, ja unmöglich, die Wichtigkeit der kürzlich gemachten Entdeckungen jener unbegrenzten Landstriche zu überschätzen.“

Leichhardt wird mit hohen Ehrungen ausgezeichnet, veröffentlicht sein „Tagebuch einer Landreise in Australien von Moreton-Bay nach Port Essington während der Jahre 1844 und 1845“ – und nimmt ein noch kühneres Vorhaben in Angriff: Jetzt will er Australien über Tausende von Kilometern auf dem völlig unerforschten Landweg von Osten nach Westen durchqueren. Einen ersten Versuch im Jahr 1846/47 muss er abbrechen. Ein zweiter Versuch ein Jahr später endet in der Katastrophe: Irgendwo in der australischen Einöde verlieren sich die Spuren des Entdeckers und seiner Mitstreiter. Trotz mehrerer Suchexpeditionen ist bis heute nicht geklärt, wie und wo Leichhardt ums Leben kam.

Dafür ist sein Nachruhm in Australien gewaltig. „In den Metropolen Sydney und Brisbane ist jeweils ein Stadtteil nach ihm benannt, ebenso wie in anderen Landesteilen Straßen, ein Fluss, eine Bergkette und sogar ein Wahlkreis des australischen Parlaments“, sagt Jörg Müller, Kulturreferent der australischen Botschaft in Berlin. Auch in der brandenburgischen Heimat ist die Erinnerung an Leichhardt lebendig: In Goyatz gibt es eine Ludwig-Leichhardt-Oberschule, in Cottbus ein Ludwig-Leichhardt-Gymnasium und in Trebatsch ein Ludwig-Leichhardt-Museum.

Aus Anlass des 200. Geburtstags des bedeutenden Brandenburgers soll dessen Name nun breiteren Kreisen nahegebracht werden. Initiiert von einem rührigen Arbeitskreis unter Leitung von Bernd Boschan, dem Amtsdirektor des Amts Lieberose-Oberspreewald, will das Leichhardtjahr mit einer Fülle von Veranstaltungen an Leichhardt erinnern und gleichzeitig dazu beitragen, die deutsch-australischen Beziehungen zu intensivieren. Denn für Peter Tesch, den australischen Botschafter in Deutschland, ist Leichhardt „eine Figur, die vorbildlich die bilaterale Zusammenarbeit repräsentiert“. So gibt sowohl in Australien als auch in Deutschland die Post eine Sondermarke heraus, und eine Tagung am 27. und 28. September thematisiert die Geschichte des naturwissenschaftlichen Austauschs zwischen Australien und Deutschland im 19. Jahrhundert.

Doch auch das touristische Potenzial Leichhardts wollen das Amt Lieberose-Oberspreewald und die Brandenburger Tourismus-Gesellschaft heben. Ein ers­ter Höhepunkt ist dabei der 4. Mai, wenn in Schloss Branitz in Cottbus eine Leichhardt-Ausstellung eröffnet und gleichzeitig der Leichhardt-Trail freigegeben wird. Dieser Pfad führt von Trebatsch, dem Geburtsort des Entdeckers, bis nach Branitz, wo Leichhardts Förderer Hermann Fürst von Pückler-Muskau residierte. Der Trail kann sowohl zu Fuß als auch mit dem Rad zurückgelegt werden.

So wird es vielleicht gelingen, Leichhardt zurück ins allgemeine Gedächtnis zu holen. Das wäre ganz im Sinne des berühmten Alexander von Humboldt, der den jungen Leichhardt im Jahr 1841 in Paris empfangen hatte und 1851, drei Jahre nach dem Verschwinden Leichhardts, an den Herausgeber von dessen „Tagebuch einer Landreise durch Australien“ schrieb: „Es ist mir immer unbegreiflich gewesen, wie in Deutschland der Name eines durch Kenntnisse, Charakterstärke und seine geographischen Entdeckungen in England so hochgeachteten Mannes wenig Anklange gefunden habe!“

Emil Schweizer

Informationen
4. Mai Eröffnung des Leichhardt-Trails, vom 4. Mai bis 31. Oktober Leichhardt-Ausstellung in Schloss Branitz

24./25. Mai ein Symposium der BTU Cottbus über das wissenschaftliche Wirken Leichhardts, 22. Oktober Feierstunde im Kino Weltspiegel in Cottbus 

Als touristisches Angebot bietet die Tourismus-Entwicklungsgesellschaft Lieberose/Oberspreewald eine Leichhardt-Entdeckertour an, die vom Schwielochsee bis nach Schloss Branitz führt www.teg-lds.de
 

Ludwig Leichhardt
Die erste Durchquerung Australiens
Von Brisbane zum Northern Territory
248 S., Leinen mit Schutzumschlag und Leseband, 13 x 21 cm.
ISBN: 978-3-86539-841-3
Edition Erdmann in der marixverlag GmbH, Wiesbaden, 2012
24,00 €

 

 

54 - Frühjahr 2013