Hertha BSC: Klappe! die dritte!

Am letzten Bundesligaspieltag auf den Relegationsplatz abgerutscht, das erste Relegationsspiel zu Hause kläglich verloren, um das letzte und alles entscheidende Relegationsspiel dann überzeugend zu gewinnen – Hertha BSC hat sich den Verbleib in der 1. Bundesliga denkbar knapp gesichert.

Kein Drehbuchautor und kein Krimi-Regisseur hätte es sich spannender ausdenken und umsetzen können. Der eigens mit dem Ziel Klassenerhalt geholte erfahrene Trainer Felix Magath sicherte den Verbleib der Hertha in der Bundesliga im letzten Spiel ausgerechnet gegen dessen früheren Verein, dem Hamburger SV.

Aber es scheint wieder nicht der Blockbuster zu sein, der in den Kassen klingelt, sondern die Daily Soap, bei der jede Woche neue unerwartete Wendungen das Geschehen bestimmen. Denn nach dem gesicherten Verbleib in der Bundesliga trat dann der amtierende langjährige Präsident von Hertha BSC, Werner Gegenbauer von seinem Amt zurück. Er kam damit einer Abwahl auf der Mitgliederversammlung des Vereins am letzten Mai-Sonntag zuvor. Seit dem Einstieg von Investor Lars Windhorst und den damit verbundenen gestiegenen Erwartungen, die unerfüllt blieben, kamen immer wieder Vorwürfe auf, dass der Verein unprofessionell geführt werde. Die Ära Gegenbauer mit 14-jähriger Vereinspräsidentschaft geht als eine Ära der Mittelmäßigkeit ohne große sportliche Erfolge in die Geschichtsbücher der Hertha ein. Infolge der Mitgliederversammlung traten weitere Präsidiumsmitglieder von ihren Ämtern zurück. Nun erfolgt also ein weiterer Versuch eines Neuanfangs, diesmal auf höchster Vereinsebene. Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des Vereins am 26. Juni müssen nun ein neuer Präsident und ein neues Präsidium gewählt werden, die die Geschicke des Vereins besser voranbringen und ein besseres Verhältnis zum Investor zum Ziel haben sollten.

Verantwortlich für Akteure und Regisseur – als Geschäftsführer Sport wird Fredi Bobic bleiben. Er übernahm die Verantwortung für das miserable Ergebnis der Hertha in der zurückliegenden Bundesligasaison. Die Trennung von Trainer Pal Dardai und die Verpflichtung von Tayfun Korkut als dessen Nachfolger wurden ihm als Fehler in seiner ersten Saison bei Hertha BSC angelastet. Acht Spieltage vor Saisonende musste Bobic nämlich bei Korkut erneut die Reißleine ziehen, um dann mit Magath knapp, aber immerhin erfolgreich das sportliche Fiasko des Abstiegs abzuwenden. Bobic hatte die Trainerfrage zu klären. Als Zeichen sportlich höherer Ambitionen hätte man mit Namen geliebäugelt wie etwa den Ex-Herthaner Nico Kovac, der mit Bobic zusammen schon in Frankfurt am Main Pokalsieger wurde. Oder mit Marco Rose vom Tabellenzweiten Borussia Dortmund, der dort als „zu leicht“ befunden wurde. Auch Adi Hütter, den Bobic ebenfalls aus Frankfurter Tagen kennt, wäre ein Name gewesen, dem man einen sportlichen Aufbruch in höhere Dimensionen durchaus zugetraut hätte. Zumal die fehlende mannschaftliche Geschlossenheit in der abgelaufenen Saison immer wieder Anlass gab zu einem verzweifelten Blick der Fans gen Himmel und wo es selbst der Trainerlegende Magath schwerfiel, ein funktionierendes Mannschaftsgefüge herzustellen. Vielleicht wollten auch einige der Trainerkandidaten sich dieser Herkulesaufgabe nicht unterziehen, wer will schon bei einer taumelnden Daily Soap verantwortlich die Regie für die neuen Folgen übernehmen? Diese Aufgabe kommt nun Sandro Schwarz zu, dessen Verpflichtung kurz nach Saisonende verkündet wurde. Er führt jetzt bei den Akteuren Regie, soll das Agieren gefälliger und erfolgreicher machen und muss aus dem bestehenden Kader ein Team bilden, das dann auf dem Platz, wo bekanntlich die Wahrheit beim Fußball liegt, bessere Ergebnisse als in der abgelaufenen Saison liefert. Schwarz, selbst ehemaliger Fußballprofi, trainierte den Bundesligisten Mainz 05 von Juli 2017 bis November 2019, bis man ihn wegen einer Niederlagenserie entließ. Danach heuerte Schwarz als Trainer bei Dynamo Moskau an und wurde mit seiner Mannschaft in der abgelaufenen Saison Dritter der russischen Premier League sowie Pokalfinalist.

Bei der Verpflichtung neuer Spieler erwartet Hertha BSC ebenso eine schwierige Aufgabe im Sommer. Denn bevor die Kaderplanung vorangetrieben werden kann, müssen erstmal Verkäufe die Kasse klingeln lassen. Fünf Abgänge stehen bisher nur einer Neuverpflichtung gegenüber. Ablösefrei kommt der kroatische Nationalspieler Uremovic, der die anfällige Abwehr bei Hertha BSC verstärken soll.

Übrigens wurde eine Film-Dokumentation über Hertha BSC, die eigens vom Investor in Auftrag gegeben wurde, eingestellt und nicht veröffentlicht. Regisseur Lee Hicken hatte bereits mit einer Dokumentation über Leeds United einen weltweit beachteten Erfolg gefeiert und seine Dokumentation über Hertha BSC wurde schon mit Spannung erwartet.

Aber das wahre Leben schreibt die besten Geschichten und ist spannender als jeder Film – Das gilt momentan im Berliner Fußball insbesondere für den Hertha BSC.

Steffen Dobrusskin

 

89 - Sommer 2022
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