Eine für alle

Die Geschichte begann 1980 ganz unspektakulär, als Lutz-Michael Stenschke, 24-jährig, zusammen mit seiner Frau den Holzwagenimbiss Wurstmaxe am Mehringdamm 36 kaufte. Der Student wurde zum Unternehmer. „Natürlich passierte das fließend“, sagt er, „erst versucht man, selbständig Geld zu verdienen, dann wird die Arbeit immer mehr und man braucht Mitarbeiter. Außerdem hatte ich schon zuvor tageweise in einer Markthalle Würste verkauft, als das Angebot mit dem eigenen Imbiss kam.“ Bis heute hat er seine Entscheidung nicht bereut. Vom Mehringdamm aus wurde Curry 36 weltberühmt. Wie ihm das gelungen ist? Stenschke hat keine Ahnung. Vielleicht, wegen des „guten Brandings“. Oder weil er auf „ehrliche Produkte mit gleichbleibender hoher Qualität“ achtet, wie er erklärt. Er hat nie mit einem Hotelportal oder einem Blogger gesprochen, damit die etwas schreiben.

Sie sind alle so gekommen. Am Anfang die Nachbarn und die Nachtschwärmer, dann die Taxifahrer, Studenten, Direktoren, Hartz IV-Empfänger, Models, Väter mit Kindern, alte Damen, Touristen, Promis und Wurst-Tester aus aller Welt. Tom Hanks war da und die Konkurrenz inkognito auch. „Meine Currywurst ist eben eine für alle“, sagt Stenschke. „Hier sind alle gleich. Und die Wurst auch.“ Darauf legt Stenschke am meisten Wert. „Eine gute Wurst braucht Zeit, egal wo: hier, Zuhause auf dem Herd oder im Garten auf dem Grill. Bei der Currywurst sind vier bis fünf Minuten auf jeder Seite wichtig. Sie wird in Erdnussöl bei mittlerer Hitze gebraten. Außerdem muss sie mehrfach gedreht werden, damit die Temperatur auf allen Seiten gleich bleibt. Fertig ist sie, wenn sie innen heiß, aber außen nicht verbrannt ist. Ihre typische Krümmung kommt durch die Darmhülle zustanden“, erklärt er fachmännisch.

Neben der biozertfizierten Currywurst vom Haveländer Apfelschwein mit und ohne Darm bietet Stenschke auch andere Fast Food Produkte sowie eine vegane Variante der Currywurst auf Sojabasis an. Und wie sieht die Wurst der Zukunft aus? „Sie wird immer noch die gleiche sein“, lacht Stenschke, „Hauptsache sie ist gut.“

Er kennt seine Lieferanten seit der Gründung von Curry 36. Auch die Currysauce wird seit Beginn nach einem hauseigenen Rezept bei Werder Feinkost hergestellt. Außerdem investiert Stenschke immer in die neueste Technik. Gerade werden neue Kühlhäuser gebaut und selbst die Fritteusen sind computergesteuert. Damit wird sichergestellt, dass das Essen immer auf den Punkt genau fertig ist, egal ob gerade eine oder mehrere Portionen verlangt werden.

Ein weiteres Geheimnis für Stenschkes erfolgreiches Geschäft ist Verlässlichkeit. „Wir halten unsere Öffnungszeiten ganz klar ein. Egal, wie das Wetter ist. Selbst bei minus 45 Grad oder ob es regnet oder schneit. Und selbst, wenn eine Stunde lang niemand vorbeikommen würde, hätten wir auf. 365 Tage im Jahr von 9 bis 5 Uhr. Wenn jemand um halb drei am Morgen extra mit dem Auto aus Spandau kommt und eine Wurst essen möchte, dann soll er sie kriegen. Falls nicht, dann käme er nicht wieder.“

Heute hat das Unternehmen drei Standorte. Neben dem Stammhaus am Mehringdamm seit 2012 eine Bude am Bahnhof Zoo und seit 2018 eine im Hauptbahnhof. In diesem Jahr wird noch ein weiterer Standort hinzukommen, an der Warschauer Straße, wenn der Bahnhof dort fertig wird. Täglich gehen an jedem Standort Würste im vierstelligen Bereich über den Tisch. Hinzu kommen die hauseigenen Produkte, die man in diversen Supermärkten kaufen kann, den original Curry 36- Tomaten Ketschup und die Currywürste. Aber ob die daheim in der Küche so gut schmecken, wie am Abend auf dem Weg ins Theater oder ins Kino oder zum Feierabend?

Für die Zukunft von Curry 36 wünscht sich Stenschke, dass alles so bleibt, wie es ist. Und auch wenn es immer wieder Franchise-Angebote gibt, ist seine Antwort: Nein. Es würde ihm schwer fallen, den Namen wegzugeben und damit seinen Einfluss. Aber gründen würde er immer wieder, sagt er, selbst wenn es jetzt definitiv schwieriger sei, als damals vor 39 Jahren.

Barbara Sommerer

 

79 - Sommer 2019