Seit 2019 ist die imposante Villa Heike in Berlin-Hohenschönhausen Atelier- und Künstlerhaus. Gleich neben der Stasi-Gedenkstätte gelegen, hat sie eine bewegte Geschichte hinter sich.
Prachtvoll und mit imposanten Säulen ausgestattet, so stellt man sich den Eingangsbereich einer altehrwürdigen Bank oder einer Botschaft vor: in Berlin-Mitte, im Tiergartenviertel vielleicht oder in Zehelndorf. Aber die Villa Heike steht in Hohenschönhausen inmitten von Sozialbauten und nahe der ehemaligen Stasi-Zentrale.
Bis 1989 war das Gebiet Sperrzone. Bis heute gibt es hier keine hippen Cafés oder Restaurants, stattdessen einen Lidl-Supermarkt. Architektur- und Kunstliebhaber kommen gezielt in die- se Gegend. Eine künstlerisch gestaltete Fahne, die über dem Haus weht, weist den Weg schon aus der Ferne.
Der stattliche Bau mit den großen Fenstern wurde 1911 errichtet. Gezeichnet hatte die Blaupläne ein gewisser Richard Lotts für den Berliner Industriellen und Gründer einer Maschinenbaufabrik Richard Heike. Eine Wiener Baufirma hat ihn in damals fortschrittlicher Stahlbetin-Skelettbauweise errichtet. Die moderne Technologie war anspruchsvoll und bot die Möglichkeit, auch sehr große Spannweiten zu überbrücken, was eine flexible Raumplanung möglich machte. 2015 hat der Berliner Architekt Christof Schubert zusammen mit vier Mitstreitern aus dem künstlerischem Bereich das vierstöckige Gebäude erworben. Zuvor hatte es fast 20 Jahre leer gestanden, war entsprechend verwahrlost und dem Verfall preisgegeben. Denn bis zur Wende nutzte die Stasi das Haus seit den 1960er-Jahren für die Lagerung brisanter Akten über Kriegsverbrecher und Nazi-Größen aus der NS-Zeit. „Die Lage war nicht so attraktiv für potenzielle Käufer, hinzu kam die schwierige Nutzungsgeschichte nach 1945“, erzählt Christof Schubert in seinem lichtdurchfluteten Büro im dritten Stock. Bei der Gelegenheit holt er eine Kiste mit alten Fotos, um zu zeigen, wie es früher hier aussah und wer das Haus einst erbauen ließ. Ein Foto zeigt den Bauherrn, einen Mann im besten Alter mit Schlapphut, den Fabrikanten Richard Heike. In Hohenschönhausen produzierte er über Jahrzehnte Fleischverarbeitungsmaschinen aller Art.
„Die heutige Villa Heike war Ausstellungsfläche für die Maschinen, Verwaltungsgebäude und Privatwohnung in einem“, sagt Christof Schubert. Von der Straße waren die großen Schaufenster ins Auge gefallen. Dahinter verbirgt sich ein großer Ausstellungsraum, der von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern bespielt wird. Einer der Eigentümer, der selbst künstlerisch tätige Fotograph Michael Schaefer, organisiert die Schauen mit viel Herzblut. Das multifunktionale Gebäude hat eine Fläche von 2 400 Quadratmetern. In Souterrain und Hochparterre boten 1 000 Quadratmeter Ausstellungsmöglichkeiten für die Fabrikate, im ersten und zweiten Obergeschoss waren Büros eingerichtet, im dritten Stockwerk schließlich wohnte Richard Heike mit seiner Familie.
Wenn man sieht, wie das Haus noch vor einigen Jahren ausgesehen hat, weiß man den Mut und das Engagement von Christof Schubert und den neuen Eigentümern umso mehr zu würdigen. Erst einmal musste ein Nutzungskonzept erstellt werden, bis es an die praktische Arbeit gehen konnte. „Die Räume waren total verbaut, Zwischendecken und Trennwände eingezogen. Das alles musste erst einmal rausgerissen werden“, erzählt Christof Schubert über seinen Anfang in der Villa. „Da brauchte man schon sehr viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie es mal werden könnte. 2, 6 Millionen Euro hat allein der Umbau gekostet, einen Teil hat der Denkmalschutz dazugegeben. Es wurde erhalten, was immer erhalten werden konnte, Fenster, Türen und teilweise auch die alten Terrazzo- und Steinholzfußböden. „Wo immer das Original nicht mehr erhalten war, haben wir es in moderner Architektursprache ergänzt, natürlich so respektvoll wie möglich“, erklärt Christof Schubert das Herangehen.
Gegen das Vestibül und den riesigen Ausstellungsraum im ersten Obergeschoss nehmen sich die Wohnräume des Fabrikanten ganz oben im Haus eher bescheiden aus. Die einzelnen Räume sind relativ klein, auch wenn das Speisezimmer „Fliegender Holländer“ heißt und der Salon über einen offenen Kamin verfügte. Die Arbeit geht vor im Leben der Unternehmerfamilie, das sollte damit auch gesagt werden. Beeindruckend ist vor allem die Kassettendecke im Speisezimmer, inspiriert vom Festsaal auf der thüringischen Wartburg. Die historischen Farbschichten, die ablesbar geblieben sind, zeugen von der wechselvollen Geschichte. Vom Balkon aus schaut man auf die steingewordene Trostlosigkeit des einstigen Überwachungsstaats. Das offene und bunte Leben, das in die Villa Heike eingezogen ist, antwortet auf seine Weise.
Karen Schröder