Stahl galt als Baustoff des 19. Jahrhunderts, Beton der des 20. und Holz ist das Baumaterial des 21. Jahrhunderts – vorausgesetzt es entstammt nachhaltiger Forstwirtschaft. Weltweit entstehen immer mehr Holzhochhäuser. Auch Berlin zieht allmählich nach und zeigt den Trend zum Holzbau.
Holz gilt im Vergleich zu Stahl oder Beton als “grünes” Baumaterial, weil es leichter wiederzuverwenden ist und seine Produktion nicht nur keine CO2-Emissionen verursacht, sondern diese im Gegenteil sogar bindet. Die Verwendung von Holz als tragendes Baumaterial im Geschossbau und sogar im Hochhausbau, für große, städtische Bauaufgaben, erreicht neue Höhenrekorde. Die Bauordnung sah bisher nur Pavillonbauten und maximal zweigeschossige Wohnhäuser aus Holz vor. Hölzerne Hochhäuser waren wegen der Brandgefahr sogar tabu.
Stahl galt als Baustoff des 19. Jahrhunderts, Beton als der des 20. und Holz ist das Baumaterial des 21. Jahrhunderts – vorausgesetzt es entstammt nachhaltiger Forstwirtschaft. Das „FSC“-Gütesiegel des „Forest Stewardship Councils“ für nachhaltige Forstwirtschaft schafft hier Transparenz.
Holz ist ein attraktives und beliebtes Baumaterial. Denn es sieht nicht nur gut aus, es riecht auch gut und fühlt sich gut an. Die Bedenken bezüglich der Feuersicherheit lassen sich mildern: Leicht überdimensionierte Holztragwerke können im Brandfall eine äußere Kohleschicht bilden, die den tragenden Querschnitt der Bauteile schützt. Auch Rauch- und Feuermelder und Sprinkler schützen Holzbauten. Holz ist ein natürlicher und erneuerbarer Baustoff, dessen architektonische und bautechnische Vorteile derzeit auch in Berlin neu entdeckt werden. Die Idee, Holz als tragenden Baustoff im Geschossbau einzusetzen, erobert die Stadt. Nicht immer entscheiden sich die Entwerfer für Vollholz, auch „Cross-laminated timber (CLT)” wird eingesetzt. Die Baukosten können über denen von Beton liegen, aber die kurzen Bauzeiten durch den hohen Grad an Vorfertigung sind ein geldwerter Vorteil.
Holzbauweise für den Wohnungsbau
Das Vorurteil, Holz sei nicht das adäquate Material für den städtischen Wohnungsbau, hält sich in Deutschland. Die Verwendung von Holz ist meist auf den Dachstuhl beschränkt. Dabei ist in den führenden Industrienationen, den USA und Japan, die Holzbauweise stark verbreitet. Die ökologischen Vorteile des Baustoffs liegen auf der Hand. Häufig haftet Holzbau jedoch das Klischee der altmodischen und rustikalen Blockhütte an. Die Vorurteile sind aber nicht das einzige Problem. Seitdem sich Architekten um neue Wege im kostengünstigen Wohnungsbau bemühen, richtet sich der Blick auch hierzulande auf den Holzbau. Schließlich ist Holz ein günstiges und gut zu verarbeitendes Material, das eine wohnliche Atmosphäre schafft. Die meist auf konstruktiven Rastern beruhenden Grundrisse sind Erweiterungen gut gewachsen. Holz als natürlicher, nachwachsender Baustoff ist, wegen dem konkurrenzlos niedrigen Energieaufwand bei der Herstellung, der Verarbeitung und dem Recycling, auch umweltfreundlicher als Mauerwerks- oder Stahlbetonbau, vorausgesetzt die Holzherstellung ist ökologisch und es werden keine Tropenhölzer verwendet. Zusätzlich werden die guten Dämmeigenschaften und die hohe Festigkeit des Holzes von Architekten und Statikern geschätzt.
Bei der Ausführung gelingt es, Baukosten zu sparen, weil im Holzbau kostengünstige Fertigteile verwendet werden, die auf der Baustelle lediglich montiert werden müssen, was die Bauzeit verkürzt. Bedingt durch das Schwinden und Quellen haben Holzfassaden ihre eigene Ästhetik, die es nicht zu vertuschen, sondern zu nutzen gilt. Architekturbüros setzen gerne Zeder und Lärche als Fassadenmaterial im Wohnungsbau ein und erreichen flächige Fassaden. Dass Holz arbeitet, sich verformt und verfärbt, wird den Reiz, der von Fassaden dieser Art ausgeht, nur steigern. Die Ausschöpfung des Potenzials, das in dem Werkstoff liegt, ist auch in Berlin der Schlüssel zur verdienten Renaissance des Holzbaus.
Nachhaltiger Temporärbau
Pünktlich zur Bundestagswahl wird ein Interims-Gebäude gebaut, in dem Volksvertreter arbeiten. Eine Firma für Bausysteme aus Österreich und ein Immobilienentwickler aus Hamburg hatten sich im Vergabeverfahren durchgesetzt und errichten nun an der Luisenstraße das Bürogebäude in Modulbauweise. Vorgaben zur Bauweise wurden bei der Ausschreibung nicht gemacht. Aber um das Bauvorhaben fristgerecht umsetzen zu können, lag die Modulbauweise nahe. Der Neubau nach Plänen von Sauerbruch Hutton aus Berlin mit 400 Büros auf sieben Etagen wird aus Holz-Modulen errichtet. Der H-förmige Grundriss orientiert sich an der Kammstruktur des benachbarten Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses. Eine Glasfassade dient als Schallschutz zur S-Bahntrasse und bildet zwischen den Gebäudeflügeln einen begrünten Aufenthaltsbereich. Das Vollholz soll in den Büros sichtbar bleiben, die Fassaden werden aber mit farbigem Glas verkleidet. Jedes Modul erhält im Werk ein Fenster mit Festverglasung und Öffnungsflügel. Metallverkleidungen und die Fassadenelemente werden nach der Montage der Module in Halterungen eingehängt. Die Holzmodule werden im Werk in Berlin-Köpenick produziert.
Wohnen im Holzhochhaus
Das Büro Mad Arkitekter aus Oslo hat den Wettbewerb für das Wohnhochhaus „WoHo“ in Kreuzberg gewonnen. An der Schöneberger Straße soll ein „vertikales, urbanes Quartier“ gebaut werden. Das Ensemble am Rand des Gleisdreieck-Parks besteht aus vier Baukörpern. Die Aufmerksamkeit liegt aber auf dem 98 Meter hohen Turm mit 29 Geschossen, Deutschlands höchstem Holzgebäude. Nur der Kern und das Untergeschoss werden aus Stahlbeton errichtet. Durch Sockel, Auskragungen und Vorsprünge im Turm entsteht Bewegung in der Kontur, die durch die „begrünten Rasterfassaden akzentuiert wird“, wie der Bauherr mitteilt. Zurückgesetzt von der Schöneberger Straße soll der Turm „identitätsstiftend“ wirken.
Bereiche für Bewohner und die Nachbarschaft befinden sich im Sockel und werden durch außenliegende Treppen miteinander verbunden. Im vier Meter hohen Erdgeschoss sollen Bäcker, Cafés, Spätverkauf und Werkstätten unterkommen. Im Sockel sind eine Kita geplant mit Außenflächen auf den Dächern, eine Kiezkantine, Jugendeinrichtungen, ein Indoor-Spielplatz, Ateliers und Gewerbeeinheiten sowie Familienwohnungen. Das Dachgeschoss im Turm soll öffentlich zugänglich sein und eine Bar und Sauna bieten. Das „WoHo“ entspricht den Vorgaben des „Hochhausleitbilds des Senats“, denn es wird Wohnen, Gewerbe und soziale Infrastruktur vereinen. Das Haus soll die Funktion eines Pilotprojektes haben, das ein Zeichen setzt, dass der soziale und ökologische Umbau der Stadt möglich ist. Etwa 15 Prozent der Nutzfläche sind für die soziale Infrastruktur geplant, 25 Prozent für Gewerbeeinheiten und 60 Prozent fürs Wohnen – je ein Drittel Mietwohnungen, genossenschaftliche und Eigentumswohnungen. Dabei sind betreutes Wohnen für Jugendliche und Demenzerkrankte, Studenten und Joker-Zimmer (ein separater Raum, der sich einer Wohnung hinzu mieten lässt) vorgesehen. Die Anordnung der Wohnungen ist auf den Etagen durchmischt.
Es soll Sharing-Angebote für Auto, Rad und Lastenfahrräder und Lademöglichkeiten für E-Autos geben und Fahrradgaragen mit Werkstatt.
Wohnhaus als Holzmassivbau „Walden 48“ in Friedrichshain
Als Barriere zwischen einer Hauptstraße und dem Georgen-Parochial-Friedhof haben die Architekten ihrem Holzbau zwei Gesichter gegeben. Es wurde von den Scharabi-Architekten und Anne Raupach entworfen, beherbergt 43 Wohnungen einer Baugruppe und bietet Holzoberflächen innen und Holzfassaden außen. Straßenseitig springt der Sockel hinter eine Friedhofsmauer aus Klinker zurück, der Wohnriegel mit Schieferfassade liegt darüber. Einige der locker angeordneten Fenster treten aus der Lochfassade hervor. Zum Friedhof hin öffnet sich das Haus dagegen mit tiefen Loggien, welche die Schottenbauweise ablesbar machen. Gartenfassade und Staffelgeschoss sind mit Lärche verschalt. Im Erdgeschoss und auf dem Dach befinden sich Gemeinschaftsflächen, Erd- und erstes Obergeschoss nehmen Maisonette-Wohnungen auf. Im Keller wurde ein Fahrradparkhaus vorgesehen. Nicht nur das Gebäude selbst wurde in Massivholzbauweise ausgeführt, sondern auch die Aufzugsschächte und Treppen. Die Geschosse trennen Holzverbunddecken, allein die Treppenhaus- und Brandwände bestehen aus Stahlbeton. Die Deckenspannweite und die Raumtiefen ermöglichen flexible Wohngrundrisse. Die Außenwände wurden in Holzrahmenbauweise ausgeführt und stark isoliert. Zur Landsberger Allee hin wurde auf Schalldämmung geachtet. Die Holzkonstruktion wurde auf Abbrand bemessen. So war es möglich, sie sichtbar zu belassen und Gipsbekleidungen zu vermeiden. Das Material wird so erlebbar. Außerdem sanken die Kosten. Auf eine Sprinkleranlage konnte verzichtet werden. Das Haus ist mit einer Erdwärmepumpe ausgestattet. Im Holz sind 1 500 Tonnen CO2 gespeichert und so trägt das Material zu einem angenehmen und gesunden Raumklima bei.
Ulf Meyer