(all)days for future – Kann Gebäudetechnik das Klima retten?

Was ist Gebäudetechnik, werden sich einige Menschen fragen. Zurecht, denn wir haben uns immer hinter der Architektur zu verstecken. Wer will schon große Blechkisten sehen, wenn es um Ästhetik im Stadtbild geht? Aber energieeffiziente Gebäude, mit denen man Energie einspart und CO2 vermeidet, benötigen eine technische Gebäudeausrüstung. Das Thema Dämmdickenwahn ist längst geklärt. Es geht um intelligente komplexe Lösungen, also einen Mix aus allem, mit einer optimalen Stärke der Wärmedämmung, einer Architektur, die den klimatischen Herausforderungen der extremen Jahreszeiten gerecht wird und einer energieeffizienten technischen Gebäudeausrüstung. Das Einsparpotenzial im Gebäudebestand ist riesig.

Was kann Gebäudetechnik dabei leisten? Zunächst ist es die Aufgabe der technischen Gebäudeausrüstung, ein Gebäude überhaupt erst einmal benutzbar zu machen. Noch müssen Gebäude beheizt werden, im Sommer definitiv gekühlt und immer öfter klimatisiert werden, d. h. mit frischer Luft versorgt werden, die entsprechend behandelt werden muss.

Wir reden nicht über das Einfamilienhaus, wir reden über Büro- und Geschäftshäuser, die sich als Wolkenkratzer in den Himmel schrauben, über Produktionsstätten, Krankenhäuser und expandierende Rechenzentren für das Cloud Computing.

Scheinbar entsteht ein zu großer Energiebedarf. Aber inzwischen gibt es bewährte Technologien: Wärmepumpen beispielsweise holen die dem Gebäude zuzuführende Energie aus der Luft, dem Wasser oder der Erde – alles sogenannte regenerative, da scheinbar unerschöpfliche, Energiereservoire. Mit dem Einsatz von nur einem Teil Strom werden vier Teile Wärmeenergie bereitgestellt. Käme der Strom zu 100 Prozent aus der Photovoltaik- oder Windkraftanlage, wäre die Energieversorgung tatsächlich zu 100 Prozent CO2-frei. Wärmepumpenkaskaden, d. h. hintereinandergeschaltete Module, sind längst im Megawattbereich angekommen, stellen also tausende Kilowatt installierter Leistung zur Verfügung. Bei Luftwärmepumpen geht die Effektivität bei kalten Außentemperaturen natürlich zurück. Aber ein Verhältnis von 1:2 ist immer noch besser als Verbrennungsprozesse mit fossilen Energieträgern.

Bei der Kühlung fehlt noch der große Wurf. Zumindest gibt es aber die Methode der „Freien Kühlung“, d. h. immer wenn die Außentemperaturen ein paar Kelvin geringer sind als die Wunschtemperatur im Gebäude kann ohne Kälteprozess gekühlt werden. Wir kennen das von der kühlen Luft der Nacht, wenn wir im Sommer die Fenster öffnen, um Durchzug zu machen. Käme der Strom für die Kaltwasserpumpen bei der freien Kühlung ebenfalls aus Photovoltaik- oder Windkraftanlagen, wäre auch dieser Prozess komplett CO2-frei. Im Sommer geht es natürlich nicht ohne den Kälteprozess, bei dem sogenannte Verdichter einen erheblichen Energiebedarf haben, um den Kälteprozess anzutreiben.

Neben dem Heizungs- und Kühlwasser bleibt noch die Luft, die Gebäuden zugeführt werden muss. Hier reden wir nicht selten von über hunderttausend Kubikmeter Luft pro Gebäude. Diese zu erwärmen und/oder zu kühlen, ist das eine. Jedoch fressen die Ventilatoren, die die Luft fördern müssen, die Elektroenergie förmlich, das ist das eigentliche Problem. Warum gelüftet werden muss, ergibt sich aus der Notwendigkeit, Schadstoffe aus dem Gebäude abzuführen, sowie aus der Energieeinsparverordnung. In Innenstädten ist es auf Grund des Lärms oft nicht mehr möglich, ein Fenster zu öffnen, wenn man sich bei der Arbeit konzentrieren muss. Im Winter würde die Heizenergie zum Fenster hinaus verschwendet werden. Alles, was dem Luftstrom einen Widerstand entgegensetzt, erhöht den Energieaufwand, die Luft zu fördern. Aber auch dafür gibt es inzwischen eine gesetzliche Regelung, nämlich den vorgeschriebenen SFP-Wert (specific fan power/spezifische Ventilatorleistung). – Nicht zur Freude der Architekten, da die Luftkanalquerschnitte und damit der Platzbedarf für Versorgungsschächte und Trassen in Gebäuden immer größer werden. Geringe Anlagenwiderstände und eine sparsame neue Ventilatortechnik sind hier als CO2-Einsparpotenzial zu nennen. Die Luft muss natürlich im Winter aufgeheizt werden, hier kommt das Thema Wärmerückgewinnung ins Spiel. Aus der warmen verbrauchten Abluft, die nach draußen geblasen wird, entzieht man bis zu 80 Prozent der Energie, um die kalte frische Außenluft schon vorzuwärmen.

Nicht zu vergessen bei dieser Aufzählung der Möglichkeiten ist eine intelligente Regelung, die die Medien Heiz- und Kühlwasser sowie aufbereitete Luft genau in der Dosis und der Kondition zirkulieren lassen, die wirklich nur gebraucht wird. Hier lautet das Thema: Teillastfall. Die Zeiten, in denen Heizungs-, Lüftungs- und Kälteanlagen einfach durchliefen, sind aber leider noch nicht überall vorbei. Auch das birgt ein riesiges Einsparpotenzial.

Gebäudetechnik könnte tatsächlich einen enormen Beitrag für Umwelt und Klima leisten; vor allem, wenn man den veralteten Gebäudebestand sanieren würde. Aber jetzt kommt das entscheidende Wort: Investitionskosten. Und dann gleich danach die Frage nach dem Amortisationszeitraum, der auf Grund hoher Investitionskosten meist einfach noch zu lang ist. Damit sind oft alle guten Vorsätze über den Haufen geworfen. Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Klimaschutz rechnet sich nicht ohne Subventionen. Das neue Klimapaket der Bundesregierung hat leider nur an selbstgenutztes Wohneigentum gedacht, einen Bruchteil der Möglichkeiten. Was der Mietendeckel in Berlin damit zu tun hat, erklärt sich von selbst. Die Lösung des Problems könnte ein sensibilisiertes grünes Gewissen des Investors sein, die Zukunft für die eigenen Kinder und Enkel lebenswert zu gestalten und deshalb mehr Geld auszugeben. Oder aber, es müssen politische Vorgaben und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Investitionen in den Klimaschutz umfassend fördern. Gebäudetechnik kann einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten! Die dafür benötigten technischen Lösungen sind bekannt und haben sich bereits bewährt. Regelmäßig kommen neue Innovationen dazu. Diese Technik jedoch kann nicht mehr nur in kleinen Ölheizungskellern versteckt werden, sie wird zunehmend sichtbarer werden. So wie man sich an Windräder gewöhnt hat, wird man sich an sichtbare Gebäudetechnik gewöhnen müssen – dem Klimaschutz zuliebe.

Gastbeitrag von Andreas Neyen

 

81 - Winter 2020