Sie gab es schon, als hier weit vor den Toren der Stadt noch nichts war. Die Baumschule Späth, 1720 als Gärtnerei im heutigen Kreuzberg gegründet. Damit ist sie die älteste Baumschule Deutschlands. „Mittlerweile ist die Stadt ja bekanntlich gewachsen, und jetzt liegt Baumschulenweg mittendrin. Eine solch innerstädtische Baumschule ist in ganz Europa einzigartig“, sagt Holger Zahn, der aktuelle Geschäftsführer des Unternehmens. Nur vom Ziehen von Pflanzen kann die Baumschule längst nicht mehr leben. Gartengestaltung, Pflanzenverkauf und -verleih, ein Hofcafé samt Laden sind dazugekommen. Vor allem kleinere und mittlere Gartenbaubetriebe ordern heute bei Späth ihre Pflanzen. Überall in der Stadt wachsen Bäume und Sträucher, die in Baumschulenweg bestellt wurden. Zuletzt für den Eingangsbereich der Messe Süd und das Umfeld des neuen City Cube.
Natürlich ist man bei Späth stolz auf den großen Namen mit der langen Gartenbautradition. „Doch nur auf dem großen Namen können wir uns nicht ausruhen, die Zeiten haben sich geändert“, gibt Holger Zahn zu bedenken. Doch lohnt an dieser Stelle ein Blick in die tatsächlich glanzvolle Geschichte. Christoph Späth gründete einst am Halleschen Tor eine Obst- und Gemüsegärtnerei. Der Betrieb blieb im Familienbesitz. Sein Sohn Carl Späth übernahm 1746 das väterliche Unternehmen. Er zog mit der Gärtnerei an die Köpenicker Straße um. Ende des 19. Jahrhunderts jedoch ging der Gartenbaubetrieb den entscheidenden Schritt in Richtung Expansion. Berlin war in der Gründerzeit zur Boomtown geworden. Der damalige Eigentümer Franz Späth kaufte zwischen Britz und Johannisthal zahlreiche Ländereien hinzu. Die Baumschule entwickelte sich in dieser Zeit zur größten der Welt. 1879 wurde der Unternehmervilla ein Park mit Arboretum angegliedert. Der Park sollte einerseits als Experimentierfläche für Neuzüchtungen dienen. Andererseits sollten exotische Gehölze zur Schau gestellt werden, die Späth in Deutschland verbreiten helfen wollte. Um das Sortiment zu erweitern, finanzierte er Expeditionen in verschiedene Erdteile, so auf den Balkan, nach Transkaukasien und Nordamerika. Hier wurden Pflanzen gesammelt und schließlich in der Baumschule vermehrt. Der Berliner Gartenbaudirektor Gustav Meyer plante das Arboretum im Stile eines englischen Landschaftsgartens. Noch heute lässt es sich auf den verschlungenen Wegen unter alten Bäumen vorzüglich spazieren. Besonders um den Teich herum entfaltet sich im Herbst eine mystische Stimmung. Das Arboretum gehört derzeit zum Institut für Biologie der Humboldt-Universität. Der Botanische Garten sozusagen en miniature.
Um 1925 beschäftigte die Späth-Baumschule an die 1000 Mitarbeiter. Vater dieses großen Erfolgs war Hellmut Späth, der den elterlichen Traditionsbetrieb kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs übernahm. Unzählige Gärten und Parkanlagen in ganz Deutschland und Europa wurden in Baumschulenweg geplant. Einige der großen deutschen Gartenarchitekten wie Reinhold Lingner, Otto Valentien und Herta Hammerbacher kommen aus der Späth‘schen Schule. Hellmut Späth selbst versuchte in der Nazizeit den Spagat. Er wollte sein Unternehmen voranbringen und gleichzeitig moralisch integer bleiben. 1933 trat er der NSDAP bei, und zehn Jahre später sollte er wegen Hetze und Unterstützung von Juden in Schutzhaft genommen werden. Zu Beginn des Jahres 1945 wurde der letzte geschäftsführende Baumschulenbesitzer aus der traditionsreichen Späth-Familie im KZ Sachsenhausen hingerichtet. Sein Unternehmen beschlagnahmte das Reichssicherheitshauptamt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb in Volkseigentum überführt. Seit 1961 dient das Späth‘sche Herrenhaus als Institutsgebäude für die Berliner Humboldt-Universität, bis heute ist das so. Der Park wird von der Humboldt-Universität gepflegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein Stein- und Heidegarten sowie zahlreiche Kunstwerke beleben mittlerweile den Park. Die Baumschule pflegte die ganze DDR-Zeit hindurch das Späth‘sche Erbe. Erfolgreich widmete man sich weiter der Pflanzenzucht. „Zahlreiche Gehölzsorten wurden in dieser Zeit gezüchtet. Heute versuchen wir sie mit viel Aufwand zu erhalten“, erzählt Holger Zahn, der schon damals dabei war.
Nach der innerdeutschen Wende war nicht gleich klar, wem die Baumschule eigentlich gehört. Nach langem Rechtsstreit mit der Treuhand ging der Betrieb 1997 an die Alteigentümer zurück. Doch die Baumschulengärtner der Familie waren ausgestorben, so dass schon zwei Jahre später die Baumschule wieder zum Verkauf stand. Heute ist sie wieder völlig in privater Hand. Manche der Flächen und Gebäude sind an externe Firmen verpachtet. Unter anderem bereichern ein Natursteinhandel und ein kleiner charmanter Kräutergarten unter dem Label „Kräuter-Kunst-Krempel“ das Angebot. Wie es mit dem großen Gelände insgesamt weitergeht, ist noch immer in der Schwebe. „Ein Bebauungs- oder Flächennutzungsplan würde uns Sicherheit geben“, sagt Holger Zahn. „Der alte denkmalgeschützte Hof wird aber auf alle Fälle erhalten bleiben.“
Karen Schröder
Information
Späth‘sche Baumschule
Späthstraße 80/81, 12437 Berlin
Öffnungszeiten Privatverkauf und Hofladen:
Mo–Fr: 9.00–18.00 Uhr,
Sa: 9.00–16.00 Uhr,
So: 10.00–14.00 Uhr
Öffnungszeiten Hofcafé Späth:
Mo–Fr: 10.00–18.00 Uhr,
Wochenende: 10.00–17.00 Uhr
Weihnachtsmarkt: 5. bis 7. Dezember 2014