Mit seinen beiden Barockkirchen und der barocken Gartenanlage muss Neuzelle keinen Vergleich scheuen. Dass eine Brauerei das Ensemble vervollkommnet, passt natürlich auch in die Analogie. Einstmals wurde die Anlage im Mittelalter als Zisterzienser-Kloster gegründet. Seine Blütezeit erlebte das Stift Neuzelle allerdings erst im 17./18. Jahrhundert. Die historische Lage des Ortes in der Grenzregion zwischen der Niederlausitz und der Mark Brandenburg führte dazu, dass im Laufe der Geschichte sächsische, böhmische und preußische Einflüsse verschmolzen. Dieser kulturelle Schmelztiegel, der Neuzelle war, macht bis heute seinen Charme aus.
Wie ein Schloss thront die St. Marienkirche über dem Ort. Herrschaftlich ist schon die Zufahrt zu nennen, gesäumt von einer Lindenallee, den Klosterteich im Blick. Das figürlich opulent gestaltete Tor zum Schlosshof gibt einen Vorgeschmack auf die barocke Welt dahinter. Der Weg führt in die Marienkirche, wo die barocke Bilderpracht überwältigt. Allein die zahlreichen Deckengemälde illustrieren beeindruckend lebendig Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament. Hier bietet sich eine Führung an.
Zurück im Klosterhof fällt der Blick auf ein neues Museum mit dem schönen Namen „Himmlisches Theater“. Spätestens hier wähnt man sich in Bayern, wo die Volksfrömmigkeit zu Hause ist. Zu sehen sind auf perspektivisch gestaffelten Holzkulissen lebensgroße Passionsdarstellungen. Der 229 Teile umfassende barocke Kulissenreichtum ist in seiner Gesamtheit und künstlerischen Qualität europaweit einzigartig. Ihre Entstehung verdanken derartige Inszenierungen der Gegenreformation. Durch sinnliche religiöse Erlebnisse sollten die Gläubigen wieder zum katholischen Glauben zurückfinden. Dr. Martin Salesch, der Museumsleiter, beschreibt die historische Aufführungspraxis so: „Fast jeden Tag wurde wohl damals eine neue Szene dargestellt, um dieses Passionsgeschehen bildhaft zu machen. Schließlich konnten ja auch noch nicht alle im Volk lesen und schreiben. Ziel war es sicher auch, mehrere Tage in Neuzelle zu verweilen und sich in die Bildwelt hineinziehen zu lassen.“ Die Bemühungen dürften seinerzeit nicht ohne Erfolg geblieben sein, berichten zeitgenössische Dokumente. Doch anlässlich solcher Bühnenereignisse immer wieder auch von Bekehrungen. Dazu wird es in unserer bilderüberfluteten säkularen Welt wohl nicht kommen, überwältigend ist das modern präsentierte „Himmlische Theater“ allemal.
Schon vom Klosterhof kann man einen Blick über die Terrassen auf den im französischen Stil angelegten Klostergarten werfen. Das Gelände fällt hier relativ steil ab, die Oder ruft. Der Garten besticht nicht unbedingt durch seinen Pflanzenreichtum, vielmehr ist es die Gesamtanlage mit der Fontäne, den in Form geschnittenen Sträuchern und den Rosenstöcken. An der Orangerie kann man Kaffee und Kuchen stilvoll im Freien genießen. Verlässt man den Garten über den südlichen Ausgang, nähert man sich dem Klosterberg über den Stiftsplatz. Hier befindet sich die zweite barocke Prachtkirche des Ortes. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Kreuzkirche als katholische Pfarrkirche für die örtliche Bevölkerung gebaut. Die Kulissen aus dem Himmlischen Theater wurden im Übrigen einst hier aufgestellt. Die Mönche brauchte man ja nicht zu bekehren. Die Kirche verfügt über reichen barocken Schmuck. In der Kuppel prangt ein über 100 Quadratmeter großes Fresko, das von dem böhmischen Maler Georg Wilhelm Neunhertz geschaffen worden ist. In künstlerischer Hinsicht ist die kleinere Schwester der größeren Marienkirche sicher ebenbürtig. Seit der Auflösung des Klosters im Jahr 1817 wird die Kirche als Evangelische Pfarrkirche genutzt.
Kloster, das verbinden viele auch mit leiblichen Genüssen. Neuzelle hat das erkannt. Klosterbrauerei und -brennerei laden zu Schauvorführungen samt Verkostung. Der Schwarze Abt, das dunkle Neuzeller Bier, gehört sicher zu den beliebtesten Souvenirs. Wer immer noch nicht genug hat von der Gegend, kann noch einen Abstecher nach Ratzdorf machen. Hier fließt die Neiße in die Oder und die urwüchsige Gartenwirtschaft „Kajüte“ lädt zum Scheidebecher.
Information:
www.stift-neuzelle.de
Karen Schröder