Der Bau von Hochhäusern in Berlin ist ein heftig umstrittenes Politikum. Seit Jahren legen Planer Entwürfe vor, die Debatten entfachen um die Höhe und geeignete Standorte. Die Berliner Architekten Tobias Nöfer und Klaus Zahn fordern einen städtebaulichen Entwicklungsplan. Sie plädieren für ein nachhaltiges Hochhauskonzept und schlagen 25 Standorte entlang des S-Bahn-Rings für eine Bebauung mit Türmen vor.
Sie fordern ein städtebauliches Gesamtkonzept für die Festlegung von Hochhausstandorten. Wird daran nicht gearbeitet?
Daran gedacht wird schon länger, aber mit dem Arbeiten geht es nicht voran. Das Problem ist, dass zunehmend und unkoordiniert Hochhäuser geplant und zum Teil auch genehmigt werden, Berlin aber kein schlüssiges Konzept hat, das festlegt, wo Türme errichtet werden können oder wo sie besser verhindert werden sollten. Obwohl seit Jahren überall in der Stadt Hochhäuser projektiert werden, gibt es keinen übergeordneten Hochhausentwicklungsplan. Eine städtebauliche Planung für die Gesamtstadt, wie sie zum Beispiel Frankfurt seit den 50er Jahren immer weiterentwickelt, ist längst überfällig.
Ihr Vorschlag ist eine Bebauung entlang des S-Bahn-Rings, also rund um die Innenstadt. Was ist die Idee dabei?
Unser Konzept geht davon aus, dass der große Bedarf an Flächen zunächst eine Chance für Berlin ist. Wir fragen uns, was ökologisch, verkehrstechnisch und städtebaulich zukunftsweisend sein kann. Nicht nur aus dieser Sicht ist unser Vorschlag naheliegend: Der S-Bahn-Ring, auch Hundekopf genannt, kreuzt an vielen Orten die großen Ausfallstraßen. Die Flächen in der Umgebung sind größtenteils untergenutzt und durch Bahnflächen, Kleingewerbe und ähnliches besetzt, obwohl sie perfekt erschlossen sind. Sie bieten Platz für viel Baumasse in guter Lage. Und zwar eine, die nicht wesentlich die Nachbarn verschattet, weil dort oft keine sind. Berlin hat ein hervorragendes Nahverkehrsnetz. Somit bietet der Ring alle Voraussetzungen für eine Hochhausbebauung. Wenn man an diesen Kreuzungen von S-Bahn-Ring und Ausfallstraßen einen oder mehrere Türme errichtet, entsteht ein städtebaulich sichtbarer Ring aus Türmen, die den Zugang in die Innenstadt wie Stadttore markieren. Städtebaulich wäre das äußerst interessant, weil es die nicht vorhandene Topografie Berlins bereichern könnte. Es würden weithin sichtbare Landmarken entstehen, die den Stadtbewohnern Orientierung geben.
Sie legen besonderen Wert auf ein nachhaltiges Hochhauskonzept.
Ein Konzept für die Zukunft muss sich mit Fragen beschäftigen, die im letzten Jahrhundert kaum eine Rolle gespielt haben. Mit dem zunehmenden Autoverkehr, dem Flächenfraß und dem steigenden Energieverbrauch kann es nicht immer weitergehen, wenn wir eine lebenswerte Stadt erhalten oder schaffen wollen. Das Zentrum einer modernen europäischen Stadt wird künftig keinen Platz mehr für den privaten Kfz-Verkehr haben wie wir ihn heute kennen. Jede weitere Stadtentwicklung muss mit intelligenten Ideen und Technologien dafür sorgen, dass ein gesundes und erfülltes Leben in der Stadt möglich ist.
Moderne Wohnhochhäuser unterscheiden sich deutlich von früheren Bauten. Die Wohnungen sind edel ausgestattet, haben große Balkone oder Terrassen, moderne Netzwerktechnik und hochwertige Sanitäreinbauten. Oftmals haben sie einen Concierge.
Das Hochhaus ist keine Wohnform für jedermann. Das moderne Hochhaus ist eher etwas für „Urbaniten“, Leute, die zum Beispiel wenig zu Hause sind, aber wenn, dann höchste Ansprüche an die Aussicht, die Wohnqualität und die technischen Standards entwickeln. Dafür nehmen sie die vielleicht höhere Anonymität im Hochhaus eher in Kauf. Aber auch für die brauchen wir Angebote, denn sie sind ein ebenso wichtiger Teil unserer Stadtgesellschaft wie die Kiez-Berliner.
Sind Hochhäuser eine Strategie gegen Wohnungsnot?
Mit Hochhäusern lindert man die Wohnungsnot sicher nicht. Der Bau von Wohntürmen ist mit sehr hohen Kosten verbunden, das erklärt sich schon mit den erhöhten Sicherheitsanforderung an den Brandschutz – und teure Wohnungen sind nicht das, was Berlin vor allem braucht. Wir sollten uns aber nicht nur mit günstigem Wohnen beschäftigen. Wir benötigen heute und
in Zukunft auch unterschiedlichste neue Gewerbeflächen für Betriebe, die die wirtschaftliche Grundlage unserer Stadt liefern. Dieser Bedarf lässt sich natürlich nicht nur durch Hochhäuser stillen, aber sie können einen Beitrag liefern. Für die städtebauliche Wirkung ist nachrangig, ob die Türme nun als Gewerbe, Appartements, Hotels oder Büros genutzt werden. Es gibt mehr als früher große Firmen, die nach Berlin drängen. Internetbasierte Unternehmen beispielsweise haben einen gigantischen Wachstumsbedarf.
Heißt es nicht, so hoch die Gebäude, so wackelig die Vermarktungsaussichten?
Berlin wird international immer gefragter. Es werden eher Leute aus dem Ausland in ein Hochhaus investieren, weil es für sie nicht ungewöhnlich ist. Und Berlin ist im Vergleich mit anderen Metropolen immer noch sehr günstig. Ein Hochhaus bietet eine grandiose Aussicht und Berlin eine fantastische Lebensqualität. Die Stadt hat viel Grün und ist intakt durchmischt. Wir müssen darum kämpfen, dass wir die Mischung aufrechterhalten. Auch für die öffentliche Hand bietet sich die Chance, Verwaltungseinrichtungen und Ministerien gebündelt unterzubringen.
In der breiten Bevölkerung sind Hochhäuser eher unbeliebt. Wie können solche Türme attraktiv gebaut werden?
Die Architekten sind in der Pflicht, Bauten zu entwerfen, die auch urbane Qualitäten aufweisen. Nehmen wir unser Projekt „Upside“ am Ostbahnhof in Friedrichshain. Beide Türme stehen nicht verloren da, sondern wachsen aus Sockelbauten in die Höhe, in denen Läden, Gastronomie und Büros entstehen. Somit ist ein urbaner Kontext geschaffen, die Häuser sind eingebunden in ihr Umfeld und dadurch verliert dieses nicht seine Aufenthaltsqualität. Vielleicht sind Hochhäuser hier so unbeliebt, weil Berlin kaum gute Beispiele hat. Neben den beiden neuen Bauten am Breitscheidplatz gibt es kaum hochwertige Hochhäuser. Es ist Aufgabe der Städtebauer und Architekten, eine Gestaltung zu entwickeln, die dem menschlichen Maßstab und dem urbanen Kontext gerecht wird und gleichzeitig dem Formgefühl unserer Zeit entspricht.
Danke für das Gespräch.
Ina Hegenberger