Eine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau gibt Einblicke in das bahnbrechende fotografische Werk des russischen Avantgardekünstlers und Konstruktivisten Alexander Rodtschenko.
Seine Auffassung von Fotografie hatte nichts gemein mit den Kunstfotos der Jahrhundertwende. „Die interessantesten Blickwinkel der Gegenwart sind die von oben nach unten und von unten nach oben und ihre Diagonalen. Es sieht so aus, als könne nur der Fotoapparat das moderne Leben abbilden.“ Das klingt nach Avantgarde und war es auch 1928, als Alexander Rodtschenko bereits zu den wichtigsten Künstlern nach der Oktoberrevolution gehörte. Zuvor arbeitete er als Maler, Theaterdekorateur, Buchillustrator, Designer und war der erste Künstler in der UdSSR, der mit der Technik der Collage arbeitete. Wladimir Tatlin, Kasimir Malewitsch und Wassily Kandinsky spielten eine entscheidende Rolle bei seiner künstlerischen Entwicklung. Bereits 1921 proklamierte er das Ende der Tafelmalerei und gehörte in den zwanziger Jahren zum Kreis der Konstruktivisten, wo er auch auf Wladimir Majakowski traf. Um sein Publikum nicht mit der Radikalität seiner geometrisch-abstrakten Experimente zu überfordern, zeigte er diese Arbeiten nie in Ausstellungen. Über die Fotomontage gelangte er schließlich zur Fotografie, die ihm am geeignetsten erschien, die sich verändernde Realität adäquat abzubilden. Er hält die Motive in Diagonalen, An- und Ausschnitten sowie in extremen Aufsichten und Untersichten fest. Mit diesen ungewöhnlichen Einstellungen und Bildfindungen hat er die Fotografie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt. Nicht zuletzt auch die Entwicklung der visuellen Ausdruckssprache der Architektur wesentlich beeinflusst.
Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau zeigt Fotomontagen, Porträts, Reportagen mit Text und Bild, die bei Rodtschenkos Streifzügen durch das Moskau der zwanziger Jahre entstanden sind, und seine beeindruckenden Experimente mit Perspektiven, Bildstrukturen, Licht- und Schattenwirkungen. Sie gibt damit Einblicke in die faszinierenden Anfänge des Neuen Sehens in der Fotografie in einer Zeit großer Veränderungen nicht nur in Russland.
Reinhard Wahren
Ausstellung
Alexander Rodtschenko
12.6. bis 18.6.2008
Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin