Sommer im Park. Seifenblasen treiben über der Szenerie. Sie steigen als schillernde Kugelgebilde auf, dann zerplatzen sie zu Schaumstaub. Wolfgang Tillmanns hat Metropolensommerleben fotografiert und nennt es „We are summer“. Diese Bilder aus Farbe und Schwerelosigkeit erinnern an Claude Monet, an Frühstückszeremonien und Bohème im französischen Grün, trotz der hier deutlich herber gezeichneten Gesichter, der Überfülltheit des Geländes. Daneben hängt ein Riesenformat, rahmenlos an die Wand gepinnt. Filigrane Schlieren überziehen das Blatt, als sei es eine Zeichnung. Es ist ein ungegenständliches Bild aus der Serie „Freischwimmer“ (2003/ 2005) und verweist auf die andere, unbekanntere Seite der Fotokunst des Wahl-Briten, der überall Bilder findet und erfindet, auch sammelt und mit subtilen Bezügen auf Kunstgeschichte verweist.
„Endlich!“, werden viele gesagt haben. Es wurde Zeit, dem international renommierten deutschen Fotokünstler Wolfgang Tillmans in der Hauptstadt eine Personalausstellung einzurichten. Über zweihundert Arbeiten aus den Jahren 1986 bis 2008 ermöglichen einen umfassenden Überblick über das Werk des 1968 in Remscheid geborenen und seit den neunziger Jahren in London lebenden Fotografen. Seit März dieses Jahres wallfahrten die Tillmans-Fans in den Hamburger Bahnhof, um in das Bilderuniversum des gerade Vierzigjährigen einzutauchen. Und man konnte und kann hier ganz in Ruhe seine Vorurteile überprüfen, derer es ebenfalls ausreichend gibt: Wer ist dieser Furorekünstler mit dem Etikett des Party- und Szenefotografen, der für etliche Magazine arbeitete und mit Fotos von der Berliner Love Parade seinen künstlerischen Durchbruch erlebte?
Er ist, so wird man spätestens nach der Schau in Berlin konstatieren, vor allem ein Arbeitstier, geradezu barock-bildersüchtig, ein Vollblutfotograf, der quasi alles vor die Linse bringt, was ihm im Leben begegnet: Menschen aus seinem Umfeld zuallererst, die still beobachtet oder grandios komponiert wirken, den Blick dabei etwa auf eine pulsierende Schläfenader gelenkt, dann „Venice“, Städte also, Landschaften, eine Lilie, Eichen vorm Balkon, Faltenwurf, Männer – den Mond betrachtend, Sonne Gold, und reines Licht. Er selbst sagt Sätze wie: „Ich will immer neue Bilder machen, auch wenn ich seit zehn Jahren mich mit einem Thema befasse.“ Oder: „Abstraktion und Abbild betrachte ich als eine Einheit.“ Man entdeckt in seinem breiten Œuvre einen lebensbejahenden Mann, der seinen Schönheitssinn und seine Sinnsuche keinem Dogma unterstellt, außer dem des handwerklichen Perfektionismus. Im Jahr 2000 erhielt Tillmanns – damals noch vor allem als Porträtfotograf bekannt – den Turner-Preis, und der von ihm selbst in der Tate Gallery arrangierte Raum ist maßstabsgetreu in den Hamburger Bahnhof transformiert. Und wer hier an ein Lehrkabinett denkt, das Einsichten darüber vermitteln soll, was alles mit dem Medium Fotografie an visuellen Erlebnissen möglich ist, liegt nicht falsch.
Anita Wünschmann
Ausstellung
Wolfgang Tillmans – Lighter
21.3. bis 24.8.2008
Hamburger Bahnhof –
Museum für Gegenwart
Invalidenstraße 50-51
10557 Berlin