Mathematik ist Musik, Architektur, Politik, Medizin, Kommunikation, Sport, Logistik, Klima... Alles ist Zahl, sagte Pythagoras.
Die weithin unbekannte Poesie der Mathematik kennt elegante Seifenhäute, den diskreten Charme der Geometrie und die Schönheit bizarrer Körper. Taucht man eine Drahtschlinge in eine Lauge aus Wasser und Spülmittel, dann bildet sich eine Seifenhaut, und diese besitzt immer die kleinste Oberfläche unter allen möglichen Flächen. Seifenhäute also lösen das uralte mathematische Problem der Minimalfläche mit Leichtigkeit. Zu den populärsten Beispielen stabiler Seifenhäute zählt das zeltartige Dach des Olympiastadions in München.
Am Himmel ziehende Wolken, die menschlichen Blutgefäße, Börsenschwankungen – sie alle lassen sich in mathematischen Konzepten beschreiben, die in der Theorie der Fraktale entwickelt wurden. Strukturen im Chaos bilden sich in Mustern ab, eben diesen Fraktalen. Ihr Entdecker Mandelbrot sprach vor 25 Jahren von der Morphologie des Amorphen: „Berge sind keine Kegel, der Blitz bahnt sich seinen Weg nicht gerade.“ Die Existenz solcher Formen fordert zu Studium heraus. Heute können am Computer komplexe Wachstumsprozesse simuliert, werden wie z.B. Prognosen kultureller Durchdringungen von Lebensräumen in der Zukunft.
Alles, was zählt. Die Mathematik hat ein Imageproblem. Gähnend langweilig, am Leben vorbei. Seit Januar geht nun ein Ruck durch dieses Land.
Mathegenie John von Neumann erklärt: „Wenn Leute nicht glauben, dass Mathematik einfach ist, dann nur deshalb, weil sie nicht begreifen, wie kompliziert das Leben ist.“ Matrix und Pi als Filmstoff sind durchaus hip, Mathematik als Teil der gegenwärtigen technisch-wissenschaftlichen Kultur dagegen genießt nur wenig Aufmerksamkeit. Der Erklärungsbedarf ist ein Erklärungswillen und ist hoch, zum einen begründet in dem komplexen Wissen, aus dem Anwendungen hervorgehen, und ein anderer Aspekt ist die Wissensvermittlung – frischer Wind für Lehrende und Lernende ist erwünscht.
Das Wissenschaftsjahr mit der Erfolgsformel der vier Initiatoren (Bundesministerium für Bildung und Forschung, Deutsche Telekom Stiftung, Deutsche Mathematiker-Vereinigung und Wissenschaft im Dialog) und der vier Spielfelder: die Großveranstaltungen wie z.B. der Wissenschaftssommer in Leipzig, die Schulkampagne mit Wettbewerben und Olympiaden, Berufsaufklärung, Vernetzung von Schulen und Hochschulen, Weiterbildung und zeitgemäßen Lehrmaterialien. Wandernde Ausstellungen bilden den dritten Punkt im Aktionsprogramm. Dort wird „Die wunderbare Welt der Zahlen von Null bis Unendlich“ präsentiert oder der Frage nachgegangen: „Ist die Mathematik die Sprache der Natur?“. Spielfeld Nummer vier und Lieblingskind von Professor Günter M. Ziegler, dem dynamischen Mathebotschafter schlechthin, ist die Redaktionsarbeit, die Zugbrücke zwischen Mathematik und Öffentlichkeit. Ein Contents Office an der TU Berlin mit Zuarbeit von insgesamt 14 Mathematikern und Redakteuren garantiert für die Inhalte bei aller Show, greift Impulse aus den Großforschungseinrichtungen und der Industrie auf, widmet sich Universitäts-, Schul- und Lehramtsthemen. Die Klarheit des Metiers mit seinem Richtig oder Falsch färbt ab auf die Konzeption eines sympathisch temporeichen Mitmachjahres, mit dem Bestreben, aus Anschub Dauerhaftes werden zu lassen – weit über 2008 hinaus.
Brit Hartmann
Informationen
- Website des Wissenschaftsjahres 2008:
www.jahr-der-mathematik.de - MS Wissenschaft 2008 – Das Matheschiff legt vom 1. bis 4. September am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte an. Auf 600 Quadratmetern erfährt man hier, was z.B. Riesenwellen oder ein Erdbeerjoghurt mit Mathematik zu tun haben.
Das Wissenschaftsschiff zum Ausprobieren und Mitmachen ab 8 Jahren.
www.ms-wissenschaft.de - Maß, Zahl und Gesetz
Vom 4. Juli bis 4. September 2008 in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin die Inspirationskraft der Mathematik in der Baukunst. Von der Idee, dem Entwurf bis zur Ausführung von Bramante bis zu Renzo Piano. - Mathema – Ist Mathematik die Sprache der Natur?
Vom 6. November bis Juli 2009 im Deutschen Technikmuseum, Berlin.
Mathematik im Alltag versteckt, aber auch ihre künstlerischen, kreativen,
philosophischen und spielerischen Aspekte.
www.mathema-ausstellung.de - Mathematik für alle Sinne anlässlich der Langen Nacht der
Wissenschaften im Institut für Informatik der FU: 14. Juni ab 17 Uhr
www.math.fu-berlin.de/~behrends/langenacht2008