Olafur Eliasson mit der Ausstellung „Innen Stadt Außen“ im Martin-Gropius-Bau
Gelbes Hemd, dynamische Brille – so zeigte sich der Künstler zur Pressekonferenz. Er würde gern seine Installationen und philosophischen Ideen ausführlich erklären, beschränkt sich aber. Er sagt, dass er als Künstler Berlin schätzen gelernt hat, weil hier eine echte Mitsprache möglich ist. Er gewährt diese als demokratisches Prinzip auch seinem Publikum und lädt dieses ein, sich selbst ein Bild zu machen, ganz ohne Kommentare, wie sie in Museen üblich sind. Der Künstler Olafur Eliasson schickt gleich zu Beginn der Ausstellung die Besucher durch bunte Nebelschwaden. Man sieht so gut wie nichts. Es könnte ein Initiationsritus sein. Wer sich durchgekämpft hat, wird alles Folgende mit wachen Augen wahrnehmen. Seit den Neunzigern lebt der 43-jährige Däne mit isländischen Wurzeln in Berlin. Seit 2008 hat er an der Universität der Künste eine Professur inne und betreibt auf dem Pfefferberg nahe Mitte in einem sanierten Industrie-Backsteinbau sein „Institut für Raumexperimente“.
Die erste Personalausstellung in der Spreemetropole, wie sie nach drei-jähriger Vorbereitungszeit gemeinsam mit Gereon Sievernich, dem Chef Martin-Gropius-Baus, und dem Kurator Daniel Birnbaum inmitten der Stadt realisiert werden konnte, wurde regelrecht herbeigesehnt. Es sei „die schönste Ausstellung seiner bisherigen Amtszeit“, freut sich Gereon Sievernich. Am Eröffnungstag, der auf Wunsch des Künstlers offen für alle und bis Mitternacht eintrittsfrei war, reihte sich jedenfalls eine nicht enden wollende kunstlustige Menschenschlange um den Bau. Eliasson, das ist eben auch Eventkultur von Peking bis Wolfsburg.
Nachdem der internationale Starkünstler in der Londoner New Tate Gallery zum Wettermacher avancierte und den New Yorkern parallel zu seiner Schau im Museum of Modern Art Wasserfälle bescherte, hat er „Innen Stadt Außen“ speziell für Berlin konzipiert. In der Spreemetropole gibt es – deutlich bescheidener – regenbogenbunte Farbnebel „Your blind movement“ sowie den atemberaubend-grotesken Spiegelsaal „The curious museum“, der ebenso zum Staunen verführt, wie er den Aha-Effekt gleich mitliefert, dass man mit Gerüst und Folie einen herrschaftlichen Kristallpalast, ein prismatisches Universum vorgaukeln kann. Spiegelreihungen suggerieren grandiose Räume – das hat man schon in Versailles gewusst. Aber hier scheint der Boden unter den Füßen zu schwanken, derweil die Wände zittern.
Mit knapp dreißig Licht- und Rauminstallationen bespielt der Künstler eine Etage des legendären Kunst-palastes. Darüber hinaus findet man im Berliner Stadtraum spiegelnde Fahrräder oder gestrandete sibirische Schwemmholzbalken sowie auf der Pfaueninsel ein gelandetes Ufo. Der „blind pavilion” ist ein mystisch anmutendes begehbares Objekt am nordöstlichen Ufer aus schwarzem und transparentem Glas. Es soll an den Alchimisten Johann Kunckel erinnern, der dort im 17. Jahrhundert nach verschiedenen Glassorten geforscht hat.
Olafur Eliasson, dessen Inszenierungen mal mit romantischer Natursehnsucht, mal mit kritischem Umweltbewusstsein assoziiert wurden, will sein Publikum überraschen und zum Miterleben animieren. Dabei geht es weniger um Träumerei und Entrückung als um die Veränderung von Wahrnehmungsmustern, um Perspektivwechsel sowie um das Erfinden von Spielräumen. Der Wahl-Berliner schöpft dafür aus einem reichen Fundus ästhetischer Effekte, nutzt universelle Zeichen wie etwa Kreis, Spirale, Linie und ergründet physikalische Phänomene. Das Licht fungiert im Oeuvre des Künstlers als Generalmetapher für Erkenntnis und gilt als Quelle des Sehens und der Farben. All die Brechungen, Bündelungen, Projektionen, die Schatten, die er ini-tiiert, verwandeln Räume, suggerieren Bewegung und generieren Schönheit. Ihre Wirkung ist ebenso pur wie metaphorisch. So etwa die optischen Installationen aus gebündeltem Licht. Dieses schwingt einer Zeichnung gleich in Schleifen über die Wand, wird von einem tiefen Kreisschatten gelöscht und leuchtet als Regenbogenspiel wieder auf („Round rainbow“, 2005).
Weiter findet man einen aus Stroboskoplicht und Wasser komponierten Blitz, eine grelle Eruption, die umgeben von Schwarz und Nässe kosmisch und erotisch zugleich wirkt und „Water pendulum“ heißt. Und existiert nicht dieses hedonistische Herumirren real in den Clubnächten der berühmten Partystadt in farbig-fröhlichen Wolken, wie eben in Eliassons Nebelinstallation?
Aus diversen Arbeitsmodellen hat der Künstler gemeinsam mit dem Architekten Einar Thorstein eine fiktive Stadtlandschaft komponiert. Im „Model room“ mag man ein Berlin/Babylon aus Kugelformen, Ellipsen und Spiralen entdecken, das – in monochromes Licht getaucht – die Besucher in grüngesichtige Aliens verwandelt. Mit den konkreten Erlebnisräumen und Objekten wird eine innere Sehweise in Schwingung versetzt, und im Betrachter selbst realisiert sich ein je eigenes Bild aus dem wahrgenommenen Außen. Dabei bereitet es unbestreitbar Vergnügen, sich den vielfältigen Sinnesreizen auszusetzen und die eine oder andere Betrachtungsweise zu aktualisieren. Mit durch ein Pendel gelenkten Blick auf das Berliner Abgeordnetenhaus kann man schließlich über den aus Granit-Gehwegplatten installierten „Berliner Bürgersteig“, der in seiner musealen Präsenz wie ein archäologischer Fund anmutet, den Weg hin-aus finden.
Anita Wünschmann
Ausstellung
- Olafur Eliasson: Innen Stadt Außen
Martin-Gropius-Bau
29. April bis 9. August 2010
- Als Teil der Ausstellung ist
„The blind pavilion“ von Olafur
Eliasson auf der Pfaueninsel bis
31. Oktober 2010 zu besichtigen.
Pfaueninsel, Nikolskoer Weg,
14109 Berlin