Seit drei Jahren erarbeiten die Orts- und Regionalgruppen der Naturfreunde Brandenburg Rad- und Fußwege in Schutzgebieten. Diese Flora-Fauna-Habitate sind die wertvollsten ausgewiesenen Naturschutzgebiete überhaupt. Und viele dieser Areale können einen behutsamen Besuch vertragen.
Jedes Jahr verschwinden rund 27 000 Tier- und Pflanzenarten von der Erde. Dieser Verlust ist unwiederbringlich und gefährdet die Lebensgrundlagen des Menschen. Hauptursache ist die Zerstörung von Lebensräumen durch industrielle Landwirtschaft und Siedlungsflächen. Der Klimawandel wird die Auswirkungen künftig noch verstärken. Der geflügelte Satz „Die Natur braucht den Menschen nicht, aber der Mensch braucht die Natur“ wiegt schwerer denn je. Wenn auf Borneo oder in Südamerika die Regenwälder radikal gerodet werden, muss plötzlich für die einheimische Fauna neuer Lebensraum geschaffen werden. Und wenn die gierige Erdölindustrie in großer Meerestiefe nach Reserven forscht, ohne die Rückversicherung zu bedenken, werden Quadratkilometer der Wasseroberfläche verseucht, und auch in den Tiefen wird der Tierwelt ihre Nahrungskette zerstört. Je unmittelbarer der Mensch betroffen ist, desto mehr erhöht sich die Aufmerksamkeit. Sollen doch die Fische sterben, die ich ohnehin nicht angeln kann. Sollen doch die Menschenaffen umkommen, die ich ohnehin nie sehen werde.
Wir müssen aber nicht über die Ozeane schauen, um über solchen Frevel den Kopf zu schütteln. Auch in Brandenburg werden gewaltige Flächen versiegelt, verseucht, verdorben. Die Hinterlassenschaften der Sowjetarmee, die nach dem Krieg jahrzehntelang ein riesiges Gelände rund um Berlin als Friedhof für giftige Stoffe missbrauchte, werden mühsam beseitigt. Doch auch die Verfehlungen skrupelloser Industrieller und kleiner Privatpersonen, die den alten Teppich lieber in den Wald werfen, um ein paar Cent für die Entsorgung zu sparen, müssen mühsam wieder aufgearbeitet werden.
Beim Adonisröschen sorgt der Schaftritt auch dafür, dass reife Samen in den Boden gelangen und keimen können [Foto: Gieselher Eder]
Mehr und mehr fruchten aber die Appelle, doch täglich ein kleines Stück mehr Rücksicht zu nehmen auf das, was wir unseren Kindern hinterlassen wollen. Unsere Natur ist viel zu schön, um sie zu einer brandenburgischen Wüste Gobi verkommen zu lassen. Die Natur ist unser Lebensraum. Wir brauchen sie als Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen. Diesem Grundsatz haben sich die Naturfreunde Brandenburg verschrieben.
Nicht nur der Einzelne wird von der Organisation angesprochen. Auch die Regierungen des Landes und des Bundes stehen bei den Naturfreunden in der Kritik. Der Verkauf von Seen an Privatpersonen und die Verbauung und Absperrung der Uferbereiche werden angeprangert. Die zahlreichen Seen und Wassergebiete prägen die Landschaft Brandenburgs und spielen für die Erholung der Bevölkerung und den Tourismus eine wichtige Rolle. Der Fontane-Satz „Die Dinge beobachten gibt mir beinahe mehr, als sie zu besitzen“ sollte den hartnäckig an ihrem privaten Uferweg festhaltenden Potsdamern in riesigen Lettern an ihre Zäune gehängt werden. Die Vereinigung, die auf die 1895 in Wien gegründeten „NaturFreunde“ zurückgeht, versteht sich als Umweltorganisation und Touristikverband sowie Kulturinitiative der besonderen Art. Weltweit hat sie 600 000 Mitglieder in 22 Ländern. Allein in Deutschland gibt es mehr als 90 000 dieser organisierten Naturfreunde. Die verstehen sich aber nicht als Mahner und Appellier. Die Natur schützen und nutzen, heißt ihr Credo. In Orts- und Regionalgruppen wird die Arbeit des Landesverbandes Brandenburg organisiert nach den Interessengebieten Natur- und Umweltschutz, naturverträgliche Tourismusentwicklung, Umweltbildung und Freizeitgestaltung. Das letztere beinhaltet zahlreiche Wanderungen zu Fuß oder auf dem Rad, aber auch Reisen und Exkursionen. Für den Landesverband sind Grenzen fließend. Die Naturreservate der Unteren Oder machen ja auch nicht an der Grenze halt. So arbeitet man seit Bestehen international. Die Projekte „Europäische Landschaft des Jahres“ und „Flusslandschaft des Jahres“ wurden durch die internationale und die deutsche Naturfreundebewegung ins Leben gerufen. In der Projektarbeit, große Stärke des Verbandes, engagiert man sich kooperativ und vernetzt mit den Brandenburger Nachbarn. Besonderer Wert wird auf Nachwuchsarbeit gelegt. Dazu werden regelmäßig Wochenendseminare zu ökologischen oder kulturellen Themen angeboten sowie Ferienfreizeiten und die Ökocamps.
Eine wichtige Errungenschaft sind die Natura Trails. Das sind Wege durch Schutzgebiete, die unter dem Begriff Natura 2000 erfasst sind. Dies ist ein länderübergreifendes Schutzgebietssystem innerhalb der Europäischen Union. In Brandenburg gibt es derzeit acht solcher ausgewiesenen Wandergebiete, welche die verschiedenen Landschaften erlebbar machen. Die Vielfalt reicht von Schluchten in der Märkischen Schweiz, Steppenflora im Lebuser Land, von Wasser geprägten Landschaften wie der Drahndorfer Spreeniederung und dem Biesenthaler Becken bis hin zur Potsdamer Kulturlandschaft entlang der Nuthe. Die Insel Buhnenwerder beispielweise nahe Brandenburg an der Havel ist ein beliebter Anlaufpunkt für Ornithologen. An ausgewählten Orten darf sie betreten werden. Es gibt einen didaktisch und informativ sehr gut ausgestatteten Naturlehrpfad. Der Natura Trail Genshagener Busch führt durch einen Erlenbruchwald, der unter besonderem Schutz steht. Die Landschaft um den Pimpinellenberg bei Oderberg gilt bei den Botanikern und Zoologen als ein ganz besonderes Kleinod mit vielen seltenen Pflanzen- und Tierarten. Neben dem puren Naturerleben beim Besuch der Natura Trails geht es immer auch darum, auf wertvolle und immer seltener werdende Pflanzen und Tiere aufmerksam zu machen, sie kennenzulernen und sie zu schützen.
Hans-Christian Moritz