Das Erzählen von Geschichten ist die Leidenschaft von Thomas Duncan und Noel McCauley. „Narrative Space“ (Erzählender Raum) nennen die beiden Berliner Architekten ihr Konzept, mit dem sie Architektur und Film verbinden.
Beim Betreten der Büroräumlichkeiten von Duncan und McCauley in der Invalidenstraße fällt ein großes, trommelähnliches Gerät im Vorraum auf. Ein Zootrop oder Zoetrop, klären die beiden Architekten auf und demonstrieren gleich, wie dieses im 19. Jahrhundert erfundene Vorläuferverfahren des Films funktioniert: Sie drehen die Trommel – und schon glaubt der Betrachter bewegte Bilder zu sehen, auf denen ein Specht gegen eine Hauswand hämmert und ein Wildschwein über die Straße rennt. Erzielt wird der Effekt durch im Inneren der Trommel angebrachte Bilder; blickt man durch die im Gerät angebrachten Schlitze, so gehen diese Bilder im Auge des Betrachters ineinander über.
Cine-Machine haben Duncan und McCauley diese Installation getauft, die sie für das diesjährige DMY International Design Festival Berlin entwickelten. Die Cine-Machine ist typisch für den gestalterischen Ansatz der beiden. „Unser Hauptanliegen“, formuliert es McCauley, „ist es, mittels Architektur und Film Geschichten zu erzählen.“ Dafür sind sie auch theoretisch gerüstet: Duncan verfügt nicht nur über ein Architekturdiplom, sondern auch über einen an der Universität Cambridge erlangten Master der Philosophie, den er mit einer Arbeit über „Architecture And The Moving Image“ erlangte.
Da wird man neugierig, was den 1967 in England geborenen Duncan und den 1969 in Dublin zur Welt gekommenen McCauley nach Berlin geführt haben. Es ist eine Geschichte, wie sie so oder ähnlich viele Architekten erzählen, die Anfang der neunziger Jahre ihr Studium abschlossen und durch den Reiz der einstigen Mauerstadt sowie den damals riesigen Bedarf an Architekten angelockt wurden. „Mir gefiel es, dass sich die Stadt so schnell ändert“, sagt Duncan. Und McCauley, für den Berlin 1994 eigentlich nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach New York sein sollte, zeigt sich ebenfalls fasziniert von der Stadt: „Ich hatte das Gefühl, die Offenheit der Stadt ermögliche es, den eigenen Weg zu bestimmen.“
Diese Faszination empfinden die beiden auch heute noch. Die Klagen über wachsende Kommerzialisierung und das Verschwinden von Freiräumen teilen sie jedenfalls nicht. „In Berlin ist auch heute noch sehr viel in Bewegung“, findet Duncan. „Ich bin immer noch genauso glücklich und aufgeregt, hier sein zu dürfen, wie zu der Zeit, als ich nach Berlin kam.“ Und noch immer biete Berlin – auch dank niedriger Lebenshaltungskosten – die Möglichkeit zum Experimentieren.
McCauley und Duncan nutzten diese Möglichkeit auf vielfältige Weise. Letzterer arbeitete in den neunziger Jahren als Art Director im Filmstudio Babelsberg, während McCauley am Bau des Jüdischen Museums von Daniel Libeskind mitwirkte. Irgendeinmal kreuzten sich ihre Wege, und in der Folge kristallisierte sich – wenig überraschend angesichts ihres Interesses am Erzählen von Geschichten – die Ausstellungsgestaltung als zentrales Aufgabenfeld heraus. Vor allem für das Centrum Judaicum konzipierten sie mehrere Expositionen, darunter eine über Albert Einstein und eine über Juden im deutschen Fußball. Immer noch zu sehen ist die Hofjuden-Galerie, ein 2008 eröffneter Teil der permanenten Ausstellung des Jüdischen Museums.
Einen zweiten Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildet die Auseinandersetzung mit der von Industrie und Bergbau geprägten Landschaft. So schufen sie 2006 das See-Zeichen, ein Kunst-am-Bau-Projekt in Großräschen, das mit dem Logo (see) der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land arbeitet. Manche mögen sich auch noch an das Labyrinth aus Strohballen erinnern, das sie 2005 in der IBA-Werkschau „Bewegtes Land“ realisierten, einer Zwischenbilanz der IBA, die sich mit der Suche nach neuen Nutzungen für die Bergbaulandschaft in der Lausitz befasst.
Mit Landschaft haben auch mehrere aktuelle Projekte von Duncan und McCauley zu tun. Wer beispielsweise gedenkt, den Brocken im Harz zu besteigen, findet seit August dieses Jahres in Wernigerode einen Informationspavillon der beiden Designer vor. Und im Geopark Muskauer Faltenbogen gestalten die beiden das neue Besucherzentrum, das in einem ehemaligen Ringofen entsteht. Bei dieser Bauaufgabe profitieren sie von den Erfahrungen, die sie beim Ziegeleipark Mildenberg machten: Auch dort verwandelten sie einen denkmalgeschützten einstigen Ringofen in ein Besucherzentrum.
„Im Ziegeleipark Mildenberg“, berichtet McCauley, „standen wir vor der Aufgabe, sowohl das einheimische Publikum als auch Touristen anzusprechen. Das scheint uns gelungen zu sein; jedenfalls bekommen wir viele Komplimente von Menschen, die in der Ziegelei gearbeitet haben.“ Tatsächlich beeindrucken die beiden Ausstellungen durch die intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte der Ziegelproduktion ebenso wie durch die ideenreiche Umsetzung.
Auch im Fürst-Pückler-Park Branitz in Cottbus spürt man, dass Duncan und McCauley keine Schreibtischtäter sind, sondern die konkrete Auseinandersetzung mit ihrem Gegenstand suchen. Dort übernahmen sie ebenfalls die Aufgabe, sowohl das Besucherzentrum als auch die dort gezeigte Ausstellung zu gestalten. Darin sind unter anderem filmisch verarbeitete Fotos zu sehen, die den Park in verschiedenen Jahreszeiten zeigen und die Thomas Duncan und Noel McCauley höchstpersönlich über Monate hinweg aufnahmen. Motiviert wurden der Ire und der Engländer dabei von keinem Geringeren als Johann Wolfgang von Goethe. Der schrieb 1830 in seiner Rezension von Fürst Pücklers Buch „Briefe eines Verstorbenen“:
Da wir nicht unterlassen können, englischen und irländischen Angelegenheiten unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden, muss es uns freuen, einen so begabten Landsmann (nämlich Fürst Pückler, Anm. d. Red.) gleichsam als forschenden Abgesandten dorthin geschickt zu haben.
Über 150 Jahre später sind zwei begabte Abgesandte den umgekehrten Weg gegangen – und das darf als Glücksfall für Berlin gelten.
Paul Munzinger