Ökologisches Bauen und energieeffiziente Wohnungen stehen hoch im Kurs. Der Einsatz erneuerbarer Energien bei Neubau- und Sanierungsprojekten bildet keine Ausnahme mehr. Selbst bei Denkmalen lässt sich eine ganze Menge erreichen.
Gründerzeithäuser wie das in der Mühsamstraße 69 im Stadtteil Friedrichshain gibt es in Berlin viele. Und doch ist das 1905 errichtete Gebäude, das derzeit saniert wird, etwas ganz Besonderes: Durch ein ausgeklügeltes Energiekonzept werden seine Bewohner künftig 70 Prozent weniger Energie verbrauchen als die Mieter eines durchschnittlichen Berliner Gründerzeithauses – und dabei, ungewöhnlich für innerstädtische Wohngebäude, sogar auf erneuerbare Energien zurückgreifen.
Eine zentrale Rolle im Energiekonzept spielt Erdwärme. Fünf Erdsonden gewinnen in hundert Meter Tiefe Wärme, die dann über Wärmepumpen in das zentrale Heizungssystem eingespeist wird. Solarkollektoren auf dem Dach des Gebäudes sichern die Warmwasserversorgung. Wärme gewonnen wird zudem durch die Lüftungsanlage, die einen hohen Grad an Wärmerückgewinnung ermöglicht. Das bedeutet, dass die in der Abluft enthaltene Wärme durch einen Wärmetauscher wieder der Heizung der Wohnung dient. Trotzdem setzt die Bauherrin, die Dr. Wilke Projektentwicklungsgesellschaft, nicht ausschließlich auf erneuerbare Energien: Um auch für besonders kalte Winter gewappnet zu sein, installiert sie zusätzlich eine Brennwert-Gasheizung.
Damit dieses System wirken kann, ist natürlich auch eine Dämmung des Gebäudes erforderlich. Das stellt bei Gründerzeithäusern mit ihren Stuckfassaden oft ein Problem dar. Nicht so in der Mühsamstraße: Da der Stuck in der Nachkriegszeit entfernt wurde, lässt sich jetzt problemlos eine Wärmedämmung anbringen, auf die dann eine neue, dem Original nachgebildete Stuckfassade aufgesetzt wird. Sofern die Rechnung aufgeht, werden die künftigen Bewohner für eine 100 Quadratmeter große Wohnung monatlich lediglich 18 Euro für Warmwasser und Heizung bezahlen müssen; im Berliner Durchschnitt sind es etwa 100 Euro.
„Für den Bauträger sind die Kosten bei einer so umfassenden energetischen Sanierung rund dreißig Prozent höher als üblich“, sagt Hans-Christian Wilke, Geschäftsführer des Projektentwicklers. Auf der anderen Seite schaffe sich sein Unternehmen dadurch „ein klares Alleinstellungsmerkmal“. Tatsächlich kommt das Konzept gut an: Schon zwei Monate nach Vertriebsstart der unter dem Namen Vulkan-Hofgärten vermarkteten Wohnungen waren fast die Hälfte der 23 Einheiten verkauft – zu einem Preis von 2.000 bis 2.800 Euro pro Quadratmeter.
Auf die Kombination von Erdwärme und Solarenergie setzt auch die Berner Group bei ihrem Vorhaben, eine denkmalgeschützte ehemalige Reithalle am Potsdamer Ruinenberg zu Wohnungen umzubauen. Dabei gilt die energetische Sanierung von Denkmalen eigentlich als ausgesprochen heikle Angelegenheit – schließlich will keine Denkmalschutzbehörde, dass ein historisches Dach durch Solarpaneele verschandelt oder eine wertvolle Fassade durch Dämmplatten verunstaltet wird.
Erdwärmesonden dagegen tangieren das äußere Erscheinungsbild nicht. Und die Sonnenkollektoren integriert Manfred Wenner, Architekt der Berner Group, so geschickt in das Dach, dass sie kaum zu sehen sind. Heizung und Warmwasserversorgung basieren auf diese Weise zu hundert Prozent auf erneuerbaren Energien. Dach und Bodenplatte werden gedämmt; die Außenwände erhalten einen dämmenden Innenputz.
„Wir wollen zeigen, dass Denkmalschutz und ökologisches Bauen keine Gegensätze darstellen“, sagt Florian Lanz, Geschäftsführer des Unternehmens Deuwa, das für die Berner Group die Projektentwicklung übernimmt. Energieeffizienz und geringe Nebenkosten würden auch für die Erwerber von denkmalgeschützten Immobilien immer wichtiger, ist Lanz überzeugt. Rund 3.100 Euro pro Quadratmeter kosten die neun jeweils um die 180 Quadratmeter großen Einheiten, wobei die Käufer bei diesem wie bei den anderen energieeffizienten Projekten von besonders günstigen Krediten profitieren können, welche die staatliche KfW-Bank im Rahmen ihres Effizienzhaus-Programms ausreicht.
Doch auch Käufer von Neubauwohnungen achten verstärkt darauf, wie viel CO2 ihre Immobilie ausstößt. „Zeitgemäßes Wohnen und eine ökologische Bauweise müssen sich nicht ausschließen“, sagt Klaus Groth, ein erfahrener Berliner Projektentwickler. Beim Wohnquartier Lentzeallee, das die Groth-Gruppe zusammen mit Hochtief Construction im Berliner Stadtteil Schmargendorf realisiert, strebt er deshalb den KfW-55-Standard an. Das bedeutet, dass die Wohnungen 45 Prozent weniger Wärmeenergie benötigen, als nach geltender Energieeinsparverordnung zulässig wäre.
Erreicht wird dies nach Angaben von Stefan Preiß, dem Energieberater des Bauherrn, in erster Linie durch eine außergewöhnlich gute Dämmung. „Die können Sie sich vorstellen wie eine Thermoskanne“, sagt Preiß. „Der Baukörper ist rundum gedämmt.“ Der Einsatz erneuerbarer Energien wie Holzpellet-Heizung oder Solaranlage ist laut Preiß zwar geprüft, aber aus Kostengründen verworfen worden. Stattdessen erfolgt die Wärmeversorgung durch als umweltfreundlich geltende Fernwärme. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung können sich die Erwerber auf Wunsch installieren lassen.
Mit diesem Konzept richtet sich das Wohnquartier Lentzeallee „an Personen, die Wert auf eine nachhaltige ökologische Ausrichtung legen, aber auch auf anspruchsvolles Design nicht verzichten wollen“, wie Firmenchef Groth sagt. Das scheint aufzugehen – jedenfalls waren noch vor dem für Herbst angekündigten Baubeginn mehr als die Hälfte der Einheiten verkauft oder reserviert. Die Doppel- und Reihenhäuser kosten zwischen 400.000 und 650.000 Euro, die Eigentumswohnungen zwischen 230.000 und 600.000 Euro.
Künftige Wohnhäuser werden möglicherweise noch viel weniger Energie verbrauchen – oder sogar welche erzeugen. Der Prototyp eines solchen Plus-Energie-Hauses ist noch bis Ende September auf dem Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof zu besichtigen. Das Haus, das auf einer Entwurfsidee von Studierenden der Technischen Universität Darmstadt basiert und vom Bundesbauministerium finanziert wurde, schafft es, durch eine Kombination zahlreicher Mittel (Dämmung, Photovoltaik, Solarthermie, Wärmepumpe, Wärmerückgewinnung) mehr Energie zu erzeugen als zu verbrauchen. Das Wohnhaus als Kraftwerk – man darf gespannt sein, wann die ersten Bauträger ein solches Konzept in großem Stil vermarkten werden.
Paul Munzinger