Die Vollendung des Schinkelplatzes ist eng mit dem Wiederaufbau der ehemaligen Bauakademie verbunden. Doch trotz gesicherter Finanzierung scheint ein baldiger Baubeginn in weiter Ferne. Die Adresse „Schinkelplatz Nr.1“ stand einst für den zentralen Ort im Zentrum Berlins, der vor allem mit der Schinkelschen Bauakademie verbunden wurde, eingerahmt von Schloss, Bankenviertel und Friedrichswerderscher Kirche. Davor die drei Bronzestandbilder von Karl Friedrich Schinkel, Christian Peter Beuth und Albrecht Daniel Thaer. Der Plan, die 1836 von Schinkel errichtete Bauakademie, die 1962 gänzlich abgerissen war, wieder aufzubauen, existiert seit 2005. Innerhalb von fünf Jahren sollte das historische Bauwerk rekonstruiert werden. Doch die entsprechenden Mittel privat aufbringen zu wollen, erwies sich als zu optimistisch.
Seit 2016 hatte sich etwas grundlegend geändert: Der Bund stellte für den Wiederaufbau 62 Millionen Euro zur Verfügung und schrieb einen Architekturwettbewerb aus. Architekten, Stadtplaner, Museumsleute und Kunsthistoriker waren einerseits froh über die plötzliche Finanzierung, andererseits aber fast alarmiert ob der Eile. Zu sehr erinnere das Projekt an die Rekonstruktion des Berliner Schlosses einschließlich des Humboldt Forums, ohne von Beginn an einem gut durchdachten Konzept zu folgen bzw. über Zweck und Nutzung Klarheit zu haben.
Zwar ist nun das Berliner Schloss mit dem Humboldt Forum fertiggestellt, doch in der historischen Mitte klafft noch immer die Lücke, die Leerstelle, eher einer Brache gleich, und schreit geradezu nach Wiederbelebung, nach der Auferstehung des berühmten Vorgängers. Doch wann man der „Ikone der Weltarchitektur“ gerecht werden will und das Vorhaben mit einem konkreten Plan auf den Weg bringen wird, erscheint nach wie vor ungewiss. Noch immer heißt es: Die Bauakademie kommt zurück – aber in welcher Form und zu welchem Zweck? Was ist dem Schinkelplatz baulich und inhaltlich gemäß?
Dagegen wusste Karl Friedrich Schinkel, ab 1830 Leiter der obersten Baubehörde Preußens, sehr genau, was er wollte: ein zentrales Gebäude für die seit ihrer Gründung 1799 an verschiedenen Orten untergebrachte Bauakademie samt Baubehörde, einschließlich Wohnung für sich und seine Familie, alles mit einer klaren Funktion, Bauen sollte gelehrt und verwaltet werden. Schließlich wurde 1836 die neue Bauakademie, Schinkels Spätwerk, auf dem Werderschen Markt fertiggestellt. Damit hatten Schinkel und sein Freund Beuth gemeinsam eine Ikone der Architektur geschaffen, denn die Schinkelsche Bauakademie war mehr als ein Dienst- und Ausbildungsgebäude. Ihre Architektur wies in eine neue Zeit, nahm die Moderne ein wenig vorweg. Beeinflusst von der englischen Industriearchitektur stand nun ein unverputzter, nur mit kleinen Relieftafeln an Fenstern und Türen verzierter Ziegelbau in Form eines Kubus, im Volksmund „Roter Kasten“ genannt, in Nachbarschaft der Friedrichswerderscher Kirche bis zu ihrem Abriss im Jahre 1962 im Zuge der damaligen „Sozialistischen Umgestaltung des Stadtzentrums“.
Wenn nun vor einer Rekonstruktion oder einem Neubau die Debatte über Zweck und zukünftige Nutzung das Ziel hätte, vom Original auszugehen, wäre das zumindest ein guter Ausgangspunkt fern vom „Zwang zur Fassadenrekonstruktion“, wie von Kritikern befürchtet, und auch fern von institutioneller Vereinnahmung.
Ein Architekturmuseum beispielsweise, wie es die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gern hätte, wäre sicher nicht in Schinkelschem Sinne. Selbstgefällige oder ausschließlich dem Repräsentationsbedürfnis verpflichtete Architektur war Schinkel zuwider. So ist neuerdings zu lesen, die Bauakademie solle zu einem Ort der Auseinandersetzung über Städtebau und Architektur werden, der über Deutschland hinaus Bedeutung gewinnt, also zu einem Ort, an dem die bauliche Zukunft Europas mitgestaltet wird. Derartige Verlautbarungen sind eine schöne Vision, nützen aber wenig, wenn nicht einmal die neu gegründete Bundesstiftung Bauakademie imstande ist, einen Gründungsdirektor zu küren und die beteiligten Repräsentanten, wie den Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, die Bundesarchitektenkammer, die Bundesingenieurkammer, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Deutsche Akademie für Städtebau und den Zentralverband des Deutschen Handwerks produktiv zusammenzubringen. Ganz zu schweigen vom Diskurs über die Ausrichtung der neuen Bauakademie, was allerdings nicht verwundert ob der unterschiedlichen Vorstellungen der zukünftigen Nutzer. Wenn also niemand ein solch ambitioniertes Bauvorhaben nach außen offiziell verantwortet, kommt es offensichtlich erst gar nicht zum Planungsprozess. Unterdessen werden vielerorts Ideen zum Bauentwurf diskutiert. Ein vielversprechender Vorschlag aus dem Umkreis des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg e.V. propagiert beispielsweise einen Entwurf, weg vom CAD-Programm, allein die neue Bauakademie nach Handwerkermaßstäben wieder aufzubauen. Das sei in Anlehnung an Schinkels „Backsteinbau“ und so könne der „Genius loci“ wieder hergestellt werden. Wie anders wolle man einer Architekturikone auch gerecht werden? So wäre zumindest die Frage beantwortet: Was ist dem Schinkelplatz baulich gemäß? Über den Inhalt wird man sich ohnehin nur sukzessive einigen können. Beim Humboldt Forum war das nicht anders.
Reinhard Wahren