Das Glück in der Garage

Edel, verspielt, teuer und sinnlich: echte Oldtimer wie dieser Borgward mit Vase am Armaturenbrett. [Fotos: Berlin vis-à-vis]

Ein Grund, sich auf den Sommer zu freuen, ist auch die steigende Wahrscheinlichkeit, im Stadtbild oder auf den Landstraßen rund um Berlin wieder den einen oder anderen Oldtimer bestaunen zu können. Und dabei für einen Augenblick eine kleine Zeitreise zu machen, wenn diese selten gewordenen Pferdestärken, meist gut erhalten und blitzeblank, von ihren Besitzern ausgeführt werden.

Einer von ihnen ist Lothar Blumenthal, der in Reinickendorf ein Speditionsunternehmen leitet. Und bei jemandem, der beruflich mit Kraftfahrzeugen zu tun hat, liegt es nahe, sich darüber hinaus auch für Autos anderer Größen und Produktionsjahre zu interessieren. Vor zehn Jahren hat es ihn „erwischt“, seitdem hat Lothar Blumenthal schon sein viertes Exemplar in Arbeit, in viel Arbeit. Denn es gibt zwei Möglichkeiten, Besitzer eines Oldtimers zu werden. Entweder den käuflichen Erwerb eines schon gut hergerichteten Automobil-Klassikers oder das eigene Handanlegen. „Wobei da nicht immer die Wahl bleibt“, so Lothar Blumenthal“, „es gibt zum Beispiel Automarken, die nicht mehr existieren, für die es die so wichtigen Ersatzteile nur noch auf dem Liebhabermarkt zu kaufen gibt, dies schreckt so manchen Antiquitätensammler ab.“ Nicht aber den Speditionsunternehmer, dem die Rendite seiner speziellen Investitionsobjekte weniger wichtig ist als ihre Ästhetik und Schönheit. Nicht umsonst ist er Besitzer von vier Exemplaren der Marke Borgward: einem Kombi, einer Limousine und einem Coupé; ein roter Borgward P 100, automobiler Meilenstein aus dem Jahr 1960, von dem noch circa 200 von einstmals 2 600 produzierten Exemplaren existieren, ist gerade in Arbeit. Das kann schon mal zwei bis vier Jahre dauern. Denn Lothar Blumenthal betreibt seine Leidenschaft akribisch, alles, von der Stoßstange bis zum Radio, wird original wieder hergestellt. Und bis das Auto als Oldtimer auf die Straße darf, muss es mindestens 30 Jahre alt sein und auch dem Gutachter und TÜV noch einen Besuch abstatten.

Dabei hat Christian Borgward, Enkel des legendären Firmengründers Carl  F. W. Borgward auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt im letzten Jahr nach über einem Jahrzehnt Vorbereitung zusammen mit einem Kompagnon mit einem ersten Neu-Borgward, einem SUV, ein Comeback der Marke lanciert. Nun sollen jährlich zwei bis drei Exemplare folgen, bis die Produktpalette komplettiert ist. Schließlich war Borgward einstmals eine der angesehensten Marken der deutschen Automobilindustrie, zwischen 1924 und 1961 rollten über eine Million Fahrzeuge aus den Werkhallen seines Großvaters. 

Und einen Oldtimer zu besitzen ist die eine Sache, wo aber stellt man ihn sicher unter? Ein antiquarisches Gefährt ist schließlich in den allerseltensten Fällen ein Alltagsnutzfahrzeug. Es soll sogar Leute geben, die mehrere Exemplare besitzen. Für diese kann der in Reinickendorf ansässige Auto Classics Club interessant sein: Er gibt Autoklassikern seit zwei Jahren ein Zuhause; die Mieter der insgesamt 83 Stellplätze treffen sich wöchentlich und tauschen sich aus. Die Halle ist ein Eldorado für Oldtimer-Fans; vom Adenauer-Mercedes, dem Roadster oder Flügeltür-Mercedes über einen Jaguar E-Type oder Lamborghini bis hin zum DB4 Aston Martin, dem Vorgänger des Bond-Autos, sind viele Liebhaberfahrzeuge zu finden. Die Halle ist zwar nicht öffentlich zugänglich, Interessierte können aber mit Ralf-Otto Limbach, dem Geschäftsführer und Inhaber, einen Termin verabreden. Darüber hinaus berät der Auto Classics Club seine Mitglieder bei der Gestaltung der Sammlungen, sondiert den Markt oder platziert Fahrzeuge zum Verkauf, bietet seinen Mitgliedern also ein Rundum-Paket. Gleich nebenan, auf demselben Gelände, können bei Kaufinteresse und nach Terminvereinbarung zum Verkauf stehende Autos besichtigt werden. Denn etwa alle fünf Wochen findet im Internet die Auctionata statt, auf der Classic Cars ihre Besitzer wechseln.  Wer den Blick über diese vielen Schätze schweifen lässt, kommt nicht umhin, die liebevoll restaurierten Sammlerstücke als ein Kulturgut wahrzunehmen, als lebendig gebliebene Zeitzeugen unserer motorisierten Welt. 

Annette Kraß

 

Information

www.autoclassicsclub.de
limbach@autoclassicsclub.de

 

65 - Winter 2016
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