Architektur, die Geschichte Erzählt

Die Reichspost hatte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren auf diesem Gelände die Kommunikationszentrale der Hauptstadt errichtet. Nach grundlegendem Umbau ist hier Gastronomie eingezogen [Foto: Florian Gröhn]

Das Forum an der Museumsinsel ist eine Bereicherung für Berlin-Mitte. Die Renovierung der acht historischen und architektonisch bedeutenden Gebäude hat 14 Jahre gedauert. Entstanden ist ein neues lebendiges Stadtquartier.

Das nahegelegene Scheunenviertel und die Oranienburger Straße  gehören bei Berlinern wie bei Gästen zu den beliebtesten und quirligsten Ausgehvierteln. Bis vor kurzem rotteten zwanzig Jahre lang direkt vis-a-vis der stadtbildprägenden goldenen Türme der Neuen Synagoge Gebäude dahin, die darauf warteten, mit neuem Leben gefüllt und so wachgeküsst zu werden. Seit der liebevollen Renovierung der Gebäude ist auch auf der Südseite der Oranienburger Straße wieder Geschäftsleben eingezogen, es haben neue Restaurants und Cafés eröffnet und auch ein bemerkenswertes neues Hotel mit 97 Zimmern.

 

Die Bauten umgeben wie ein Karree einen öffentlichen Platz mit Brunnen, Bäumen und Sitzgelegenheiten für jedermann. Die Gestaltung hat der Berliner Landschaftsarchitekt Stephan Haan entworfen. Dieser Platz heißt „Forum an der Museuminsel“, aber dieser Name wird auch für den ganzen Block verwendet.
 
Der Unternehmer Ernst Freiberger ließ das Geviert am Monbijou-Park sanieren und hat in dem ehemaligen Haupttelegraphenamt (HTA) ein kleines, aber feines Hotel einrichten lassen, flankiert von Büro-Räumen. Das Architektenbüro Patzschke & Partner wurde mit dem Umbau des Haupttelegraphenamtes beauftragt.

Berlin war damals der wichtigste Telegraphen-Knotenpunkt in Europa. Entworfen von Wilhelm Walter und Max Lehman ging die Rohrpostzentrale 1918 in Betrieb. Es war die größte Telegraphenverkehrsanstalt in Europa. Die Stadtrohrpost mit einem Netz mit 254 Kilometern Länge Fahrrohr beförderte jährlich 25 Millionen Sendungen zu 99 Stationen in Berlin – es war die „Mutter des Internets“. Weil die Reichspost in den Zwanziger- und Dreißigerjahren ihre Kommunikationszentrale der Hauptstadt auf dem Areal unterhielt, ließ sie eine Notstromversorgung bauen. Der gigantische Schiffsdieselmotor ist heute in einem Gastronomie-Pavillon, dem „Dieselhaus“ als Schmuckstück zu bewundern.

Sicht- und spürbarer sind die Anklänge an die Zeit des Jugendstils, die die Gestalter vom Büro Dreimeta aus Augsburg für die Innenarchitektur der Hotelräume gewählt haben. Dreimeta sind versierte Hotelgestalter, die auch „25-Hours“-Hotels und viele andere, jüngere Hotelgestaltungen kreiert haben. Die Technikgeschichte des Ortes machen sie überall erlebbar, nicht nur durch historische Bilder und Fotos, sondern vor allem durch inszenierte Relikte der Rohrpost-Zentrale. Die Geräte und Maschinen haben ihre ganz eigene Ästhetik, die dem Hotel Atmosphäre gibt.

Das neo-barocke Gebäude von 1916 war einst die modernste Kommunikations-Schaltzentrale Deutschlands. Von hier aus führten Druckluftleitungen in alle Stadtteile, um zwischen Behörden und Firmen sowie Postämtern schnell Informationen per Rohrpost austauschen zu können. In gewisser Weise passt es also zur Geschichte des Ortes, dass sich in dem „Forum an der Museumsinsel“ heute auch viele High-Tech- und Internet-Unternehmen eingemietet haben, wie die Firmenschilder „Delivery Hero“ und „Google“ beweisen.

Die frisch herausgeputzten und um ein neues Torhaus nach Entwurf von dem Büro TSSB ergänzten Blockränder öffnen sich zur Ziegelstraße, wo der Blick auf ein strahlend weißes Gebäude im Stil der klassischen Moderne fällt: Die ehemalige Universitäts-Frauenklinik von Walter Wolff  von 1933 wurde zu einem Wohnhaus umgestaltet und gehört zum ersten Bauabschnitt des Forums von Freiberger. Das eine Karree gehörte einst der Telekom, das andere der Charité. Freiberger hat die beiden Blöcke zu einem Quartier zusammengefasst. Der halbrunde Aufbau mit dem schlanken, auskragendem Flachdach rahmt einen privaten, umzäunten grünen Innenhof, in dem Auto-Stellplätze sind. Das „Simon-Palais“ und die „Residenz Monbijou“ dienen heute als luxuriöse Mietwohnungshäuser mit 28 Apartments nach Plänen von Patzschke Architekten. Im größeren Karree an der Oranienburger Straße wurden keine Wohnungen gebaut, sondern Büros und Hotelzimmer.

Der neue Stadtplatz wird an der Tucholskystraße vom ehemaligen Fernsprechamt von 1927 nach dem Entwurf von Felix Gentzen begrenzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude um das Institut für Post- und Fernmeldewesen der DDR erweitert und bildet somit das Eckgebäude zur Oranienburger Straße.

Das älteste Gebäude im Block ist hingegen eine ehemalige Loge der Freimaurer, die schon 1791 erbaut wurde und derzeit noch auf Mieter wartet. Es ist das älteste Logenhaus der Freimaurer in Deutschland.

Die ehemalige Frauenklinik an der Ziegelstraße wurde ebenso von David Chipperfields Berliner Büro umgestaltet, das zuvor das „Gropius-Ensemble“ von Martin Gropius renoviert hatte. Das 1932 von Heinrich Wolff entworfene Klinikgebäude war mit einem halbrunden Gymnastiksaal ausgestattet und besaß eine windgeschützte Liegehalle, die auf dem Flachdach stand. Heute sind in dem „Das Bauhaus“ genannte Gebäude größere Wohnungen auf drei Etagen errichtet sowie kleinere, zum Forum hin ausgerichtete Stadtwohnungen.

Die acht historischen Gebäude zu renovieren, hat 14 Jahre gedauert, nicht zuletzt weil sieben von ihnen denkmalgeschützt sind und sich auch auf Seiten der Stadt und des Bezirks die Einschätzung zur Bauplanung immer wieder gewandelt hat. Aber seit der Fertigstellung Ende April 2023 ist spürbar, dass mit dem Forum an der Museumsinsel kein geschlossener Gebäudekomplex entstanden ist, sondern ein exklusiver neuer Teil des beliebten Kiezes in Mitte. Der Hof, in dem früher die Kutschen der Post standen, wurde erstmalig öffentlich nutzbar gemacht. Die Öffnung des Geländes sowie die Rekonstruktion der historischen Gebäude haben eine Investition von mehreren hundert Millionen Euro erfordert. Zusammen mit dem neuen Tacheles in Laufnähe wird es den Charakter der südlichen Seite der Oranienburger Straße dauerhaft aufwerten. Der selbe Bauherr hatte mit der Humboldtmühle in Tegel und später dem Spree-Bogen auf dem Gelände der Bolle-Meierei in Moabit bereits bewiesen, dass er es versteht, brachgefallenen Berliner Quartieren neues Leben einzuhauchen.

Ulf Meyer

 

93 - Sommer 2023
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