So viel wie nötig und so wenig wie möglich – Das vergessene CO2-Einsparpotenzial

Andreas Neyen: Den Energiebedarf für Gebäude weiter zu reduzieren ist erstes Gebot [Foto: Berlin vis-à-vis]

Lüften, klimatisieren, kühlen, beleuchten, produzieren, Maschinen antreiben, Rechenzentren kühlen, Krankenhäuser betreiben, für all das und vieles mehr wird Energie benötigt, auch Wärmeenergie.
Ein Beitrag von Andreas Neyen, Technischer Gebäudeausrüster.

Viele Menschen denken beim Stichwort Wärmewende vor allem an Wohnungen oder Einfamilienhäuser. Öl und Gas sind fossile Brennstoffe, die künftig vermieden werden müssen. Wärmepumpen arbeiten idealerweise mit Strom. Der kommt zum Beispiel als Atomstrom aus dem Verbundnetz von unseren Nachbarländern und zwar solange, bis Deutschland selbst genug Ökostrom produzieren und vor allem durchleiten kann. Die Kohle, die wir gerade in Übersee einkaufen und verstromen, ist als Übergangslösung gedacht.

Schaffen wir aber unsere Klimaschutzziele, wenn wir uns nur aufs Heizen und den Wohnungsbau konzentrieren?

Das Potential, das vor allem in der Gebäude- und Anlagensanierung steckt, muss gehoben werden. Und zwar durch ein konsequentes Austauschen, aber eben nicht nur beim Heizen und im Wohnungsbau. Man sehe sich nur die Einsparpotenziale der öffentlichen Liegenschaften an, die klimatisiert werden: riesige Büro- und Geschäfts­hauskomplexe, teilweise aus der Kaiserzeit und teilweise mit Technik aus den 1980er‑Jahren. Sogenannte Nichtwohngebäude verdienen dieselbe Aufmerksamkeit in den Medien. Der Entwurf des Energieeffizienzgesetzes, der Anfang 2023 vorgelegt wurde, erzeugt keinen medialen Hype, obwohl genauso bedeutend wie die „Wärmewende“.

Die beste Kilowattstunde ist eine nicht erzeugte Kilowattstunde

Die beste CO2-Vermeidungsstrategie ist, Energie gar nicht erst erzeugen zu müssen. Auch wenn der Bedarf klar definiert ist: im Winter warm, im Sommer nicht zu heiß, immer hell genug, immer frische Luft, eine bestimmte Luftfeuchte nicht über- oder unterschreiten – aber wie erfülle ich diese Aufgabe am effektivsten? Und wie nutze ich die dann tatsächlich benötigte Energie am effizientesten? Mit wie wenig Verlusten verteile ich sie? Welche Energieabgabe im Raum ist die effektivste? All diese Optimierungsfragen dienen der einfachsten CO2-Einsparstrategie, nämlich der Vermeidung!

Beispiel Klima und Lüftungstechnik

Die wird vor allem im Winter benötigt, um am Arbeitsplatz und im Klassenraum über acht Stunden lang frische Luft zu haben und den CO2-Anstieg durch das Ausatmen zu kompensieren und andere Schadstoffe abzuführen, Coronaviren zum Beispiel. Der Ventilator, der die Luft fördert, benötigt elektrische Energie, die Luft muss im Winter auf Raumtemperatur gebracht werden, sonst kühlt das Gebäude aus.

Die Lösung:

  • nur soviel Luft austauschen, wie über eine CO2-Steuerung im Raum angefordert wird. Ist niemand im Raum, kann die Lüftung aus sein;
  • die verbrauchte, aber warme Luft zum Vorwärmen der kalten frischen Außenluft nehmen, dann muss nur wenig nacherhitzt werden;
  • für diesen Restwärmebedarf eine Wärmepumpe nutzen, die direkt neben dem RLT-Gerät auf dem Dach steht;
  • die Luftfilter regelmäßig austauschen, denn der verdreckte Filter stellt einen Widerstand dar, den der Ventilator mittels Energiebedarf überwinden muss, er muss die Luft sinnbildlich durch den Filter hindurchdrücken;
  • alte Antriebe für Ventilatoren austauschen, die arbeiten heutzutage mit Gleichstromantrieben im Team mehrerer kleiner parallelgeschalteter Ventilatoren zusammen, die nur noch einen Bruchteil an elektrischer Energie benötigen;
  • eine bedarfsgerechte Regelung mit den richtigen Regelgrößen kann nachgerüstet werden.

Wohlstand oder Verschwendung?

Ein noch viel wichtigeres Kriterium ist unser Nutzungsverhalten. Der Klassiker: Heizung auf und das Fenster aber auch, weil es so stickig ist. Nutzungsverhalten meint aber auch, Licht einfach anlassen, ewig lange Duschen und vieles mehr. Jetzt kommt nicht die Waschlappen-Story eines deutschen Politikers, aber die Frage muss erlaubt sein: Ist es Wohlstand oder Verschwendung?

Brauche ich wirklich 23°C im Büro, um im T-Shirt herumzulaufen? Müssen es im Sommer „amerikanische Verhältnisse“ hinsichtlich der Kühlung sein? Muss das Licht am Tage an bleiben? Muss jeden Morgen eine viertel Stunde geduscht werden? Wieviel Energie frisst mein Handy beim permanenten Streamen?

Einsparpotenzial, Optimierung, Nutzungsverhalten, all das sind für die Branche der technischen Gebäudeausrüstung Fragen der Optimierung. Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort einen sinnvollen und ausreichenden Bedarf sicherzustellen, bedeutet: so viel wie nötig und so wenig wie möglich.

Ausblick

Für all diese Prozesse benötigen wir aber auch schon wesentlich weniger Energie als noch vor 30 Jahren. Im Gebäudesektor wurde der Ausstoß schon um 90 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr gesenkt.1) Unter anderem deshalb, weil es für den Neubau und die Sanierung von Gebäuden seit 11.8.1977 Bedingungen gibt, die in der Wärmeschutzverordnung definiert waren. Diese Verordnungen sind entsprechend den technischen Möglichkeiten immer weiter verschärft worden, bis heute zum sogenannten GEG, dem Gebäudeenergiegesetz in der Version von 2023. Sie waren aber immer technologieoffen. Ein Passivhaus z. B. darf einen Heizenergiebedarf von 15 kWh pro Quadratmeter und Jahr nicht überschreiten. Wie man das erreicht, war bisher immer den Architekten und Ingenieuren mit ihrer Kreativität und vor allem ihrem Fachwissen überlassen.

Den Energiebedarf für Gebäude weiter zu reduzieren, ist also erstes Gebot, egal ob der Strom irgendwann einmal zu 100 Prozent aus regenerativen Medien wie Luft, Wasser, Sonne und Erdwärme erzeugt wird. Denn ein geringer Energiebedarf heißt auch geringe Betriebskosten.

Nachhaltigkeit

Energetisch optimal funktionierende Anlagen als Übergangslösung weiter zu betreiben, ist auch ein Nachhaltigkeitsthema. Schließlich mussten die Materialien und Komponenten unter hohem Energieeinsatz hergestellt, produziert und transportiert werden. Aus ideologischen Gründen einfach alles rausschmeißen und neu bauen, obwohl Energieeffizienz gegeben ist, ist gerade nicht nachhaltig!

Informationen

Die Firma ST Gebäudetechnik aus Potsdam feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen und durfte an all diesen spannenden Entwicklungen teilhaben. All die genannten Optimierungs- und Einsparpotenziale gehören zu einem riesigen Baukasten an Ideen und Erfahrungen, die wir seit Jahren sammeln durften und anwenden und die auf weitere Projekte warten. Wir vergessen aber bei aller aktueller Diskussion bewährte Konzepte nicht.

1) https://zia-deutschland.de/project/verantwortung-uebernehmen-der-gebaeudebereich-auf-dem-weg-zur-klimaneutralitaet-gutachten

93 - Sommer 2023
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